Kernspalte

Eine Bilanz: 777 Ingewahrsamnahmen, 123 verletzte Demonstranten, davon 9 schwer, 42 Verletzte durch Hundebisse, davon 2 schwer, weitere Verletzungen durch Einsatz von Pfefferspray, Schlagstöcken, Pferden, das berichten Sanitäter, Ermittlungsausschuß und BI Lüchow-Dannenberg vom letzten Castor-Transport. Der EA kritisiert, die meisten Ingewahrsamnahmen, Platzverweise und Veranstaltungsverbote hätten keine rechtliche Grundlage gehabt. Dafür war es aber 30% billiger als im März, nämlich ca. 40 Mio. DM.

Am 19. März kam ein Brennelement-Transport der seltenen Art per Schiff in Bremerhaven an: Brennelemente für den zum Vergnügungspark umgestalteten Schnellen Brüter in Kalkar aus dem schottischen Dounreay, die nun erstmal in Hanau zwischengelagert wurden. Einige Greenpeace-Aktivisten versuchten, die Aufmerksamkeit auf die enthaltenen 500 kg Plutonium zu lenken. Auch das noch nicht stillgelegte tschechische AKW Temelin erhielt neue amerikanische Brennstäbe, die die polnische Eisenbahn über Stettin anlieferte. Ein internationales Inspektorenteam durfte die Anlage untersuchen und fand sie - das behauptet jedenfalls die tschechische Atomsicherheitsbehörde - sicher. Sogar der Streit mit Österreich ist beigelegt, in einem Abkommen unter Aufsicht des EU-Kommissars Verheugen einigte man sich darauf, 21 Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit an dem total sicheren Kraftwerk vorzunehmen, um Österreichs Veto gegen den EU-Beitritt vorzubeugen.

Supersicher sind auch das AKW Krümmel und der Forschungsreaktor Geesthacht. Dort habe es nie schwerwiegende Störfälle gegeben, versicherte Staatssekretär Willy Voigt in Kiel. Anderslautende Vermutungen der Arbeitsgemeinschaft Physikalische Analytik seien haltlos, das Uran in ihren Bodenproben sei nur Natururan gewesen. In Stade lief es dagegen nicht so gut: Zwar wurde der Reaktor nach der Reparatur einer Dampfleitung wieder angefahren, aber beim Beladen von drei Transportbehältern für La Hague blieb auf einer Abdeckplatte ein Hot Spot mit 3000 bis 7000 Bequerel Strahlung übrig, mehr als das 1000-fache des zulässigen Grenzwerts. Das Umweltministerium in Hannover sah die Sache gelassen und erklärte, die Tragzapfen der Behälter seien halt kritische Stellen, die sich nur schwer gegen Kontaminationen schützen ließen. Auf die Idee, dass man von einer Technik lieber Abstand nehmen sollte, die man eingestandenermaßen nicht richtig beherrscht, kam niemand.

Philippsburg hatte erneut drei Störfälle. Zusätzlich veröffentlichte die Stuttgarter Zeitung einen Bericht, wonach der Kraftwerksleiter gar keine Lizenz zum Führen einer Atomanlage habe. Betreiber und Umweltminister beeilten sich, die Sache herunterzuspielen. EnBW plant ohnehin, einige Betriebsjahre von Philippsburg und Neckarwestheim auf den ältesten deutschen Atommeiler Obrigheim zu übertragen, damit der 5 Jahre länger laufen kann, denn der hat Zwischenlagerkapazitäten vor Ort.

Die ukrainischen Atomkraftwerke Kmelnitzky 2 und Rovno 4 werden nun überraschenderweise doch ohne Kredite der europäischen Bank für Wiederaufbau fertiggestellt werden. Staatspräsident Kutschma lehnte das Angebot ab, weil er die Bedingungen der Überwachung der Anlage inakzeptabel fand. Russland soll sich bereit erklärt haben, einzuspringen.

(BG)

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