Neoliberalismus

Norwegen:

Breiter Widerstand

Anfang September erlitten die norwegischen Sozialdemokraten eine historische Niederlage. Mit knapp unter 25 % fuhren sie das schlechteste Wahlergebnis seit gut 70 Jahren ein. Seitdem regiert eine bürgerliche Minderheitenregierung - mit Unterstützung der rassistischen Fortschrittspartei. Ganz oben auf ihrer Prioritätenliste steht die Privatisierung. Doch schon unter der alten Regierung haben sich Gewerkschaften und soziale Initiativen warm gelaufen. Ein breites Bündnis "Für den Wohlfahrtsstaat" (For velferdsstaten) fasst den Widerstand gegen den Neoliberalismus zusammen. LinX sprach mit Asbjørn Wahl der im Auftrag der Transportarbeitergewerkschaft als nationaler Koordinator des Bündnisses arbeitet. (wop)

LinX: Norwegens neue bürgerliche Regierung hat die Privatisierung auf ihre Fahnen geschrieben.

Asbjørn Wahl (A.W.): Das ist eines ihrer wichtigsten Projekte. Eisenbahn und Post sollen in Aktiengesellschaften umgewandelt werden. Die Telekom und die Ölgesellschaft Statoil sind schon zum Teil verkauft, und wir befürchten, dass der Verkauf weiterer Anteile folgen wird. Das Problem ist, dass die vorhergehende sozialdemokratische Regierung bereits mit der Privatisierung begonnen hatte. Das macht es für uns heute schwieriger, den Widerstand zu organisieren.

Die alte Regierung ist schon schlimm gewesen, aber jetzt gibt es kaum noch einen Sektor, der sicher ist. Fast alles soll privatisiert werden. Vor allem die kommunalen Einrichtungen. Die Energieversorgung, Gesundheitszentren, zum Teil die Krankenhäuser und Einiges mehr.

LinX: Dagegen hat sich Ihr Bündnis gegründet?

A.W.: Nicht ganz. Diese neoliberale Politik ist ja auch für Norwegen nichts Neues. Die Bürgerlichen radikalisieren nur das Programm, das schon die sozialdemokratische Regierung verfolgt hatte. Wir haben uns also schon vor zwei Jahren gegründet. Die Initiative ging seinerzeit von der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes aus. Relativ rasch haben sich weitere Gewerkschaften angeschlossen und zwar aus allen drei nationalen Verbänden. Das ist was Besonderes, denn bei uns gibt es nicht wie in Deutschland eine Einheitsgewerkschaft.

Zwischenzeitlich hat das Bündnis erheblichen Zulauf. Organisationen der Kleinbauern haben sich angeschlossen, der Rentner, der Sozialhilfeempfänger, die alleinstehenden Mütter, Studentenverbände, Patientengruppen und andere.

LinX: Geht es nur um die Privatisierung?

A.W.: Im Wesentlichen geht es darum, das zu verteidigen, was wir in den letzten 100 Jahren erreicht haben, den Wohlfahrtsstaat. Wir machen Kampagnen - zum Beispiel im Zusammenhang mit der Debatte um den Staatshaushalt - und versuchen die öffentliche Diskussion zu politisieren. Wir versuchen deutlich zu machen, dass man die norwegische Situation nicht isoliert sehen kann. Deshalb haben wir zum Beispiel im Sommer auch gegen den EU-Gipfel in Göteborg demonstriert.

Wir beteiligen uns auch an den Mobilisierungen gegen die Welthandelsorganisation WTO. Insbesondere die Verhandlungen über das GATS, das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen, die seit Januar 2000 in Genf laufen, verfolgen wir mit Sorge. Wenn sich dort nämlich die Neoliberalen durchsetzen, könnte von dem Abkommen ein neuer Schub der Privatisierung ausgehen.

LinX: In Norwegen gibt es seit einiger Zeit eine Debatte über Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz. Spielt das für Sie eine Rolle?

A.W.: Auf jeden Fall. Wir sprechen von der Brutalisierung der Arbeit. Die Zahl der Krankheitsfälle nimmt stark zu. 10 Prozent der aktiven Bevölkerung sind inzwischen arbeitsunfähig, weil die Arbeit sie kaputt gemacht hat, und zwar hauptsächlich durch den ganz alltäglichen Stress. Viele Leute sind deswegen sehr besorgt. Wir sehen darin ein Ergebnis des Neoliberalismus und des verstärkten Konkurrenzkampfes.

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