Öffentlich nicht so wahrgenommen und meist nur an den lokalen Standorten
umstritten, hat sich auf dem Sektor der "Alternativ-Energie" in den letzten
beiden Jahrzehnten einiges entwickelt. Neben der Sonnenenergie ist die
Windenergie am entwickeltsten. Im Norden vornehmlich die Windenergie. Über
20 Prozent des Stromverbrauchs in Schleswig-Holstein wird mit Windstrom
gedeckt. Mehr als sechs Prozent der weltweiten Windenergie wird hier produziert:
Nach Angaben des Washingtoner "Earth Policy Institute" besteht weltweit
eine Gesamtleistung von 23.300 Megawatt, wovon das Kieler Energieministerium
eine zwischen Nord- und Ostsee installierte Leistung von über 1.500
Megawatt (2305 Anlagen) angibt, die im laufenden Jahr ein Viertel des im
Lande verbrauchten Stroms abdecken soll. Normale Windverhältnisse
vorausgesetzt! 2001 konnten nur 82 Prozent der üblichen Windernte
eingefahren werden. Das hat nichts mit den argstrapazierten Ereignissen
am 11. September zu tun, sondern mit der ungewöhnlichen Windschwäche
des abgelaufenen Jahres.
Der Streit um die Windkraftanlagen schwelt nicht nur an den Standorten und Stammtischen im Lande weiter: Nachdem sich der Streit mit den Energiekonzernen – über den Zwang zur Einspeisung der Windenergie in deren Netze – mittlerweile etwas gelegt hat, geht die Auseinandersetzung mit der Tourismusindustrie sowie den Naturschutz- und Umweltgruppen weiter.
Die Windenergieindustrie plant in See zu stechen. Vor den Küsten
Schleswig-Holsteins ist der Bau von vorerst vier Offshore-Windparks in
näherer Planung. Dass mit einer Realisierung zu rechnen ist, belegen
Planungen der zum E.ON Konzern gehörenden Schleswag AG (Rendsburg):
Bis 2004/05 sollen drei neue Hochspannungs-Trassen stehen. 60 Millionen
Euro Investitionen in die insgesamt 75 Kilometer langen 110-Kilovolt-Leitungen
nebst neuer Umspannwerke sind geplant. Der führende Regionalversorger
will damit, nach eigenen Angaben, den Weg frei für den weiteren Ausbau
der Windenergie im Lande machen. Die starke Zunahme der Einspeisung von
Windstrom auf bis zu 1.200 Megawatt in Spitzenzeiten soll die Leitungskapazität
der Schleswag faktisch erschöpft haben. "Bei 1.400 Megawatt sind wir
endgültig am Anschlag", so Technikvorstand Helmut Lechlein im September.
In Starkwindzeiten werden die Windmüller verpflichtet, die Produktion
zu drosseln. Die neuen Leitungen sollen Luft für die Einspeisung von
in Spitzenzeiten 2.000 Megawatt Windstrom schaffen!
Neben dem Projekt SKY 2000 innerhalb der Hoheitsgewässer in der Lübecker Bucht macht insbesondere die OSB Offshore-Bürger-Windpark Butendiek GmbH & Co. KG (Husum) (www.butendiek.de) von sich reden - und Druck: Über 6.600 Menschen haben 24000 Anteile á 250 Euro gezeichnet. Anhaltende Nachfragen von Neugesellschaftern und ihre Anteile erhöhen wollende "Butendieker" hebt das Projekt aus dem visionären Stadium heraus. "...Unser Ziel, ein Bürger-Windpark mit einer sehr breiten Bürgerbeteiligung zu werden, haben wir damit erreicht. Die Akzeptanz in der Bevölkerung, bei den zuständigen Behörden und in der Politik sowohl in Kiel als auch in Berlin steigt mit jedem neuen Butendieker. ..." meldete Butendiek-Newsletter Ende des Jahres. In einem Gespräch, Anfang Dezember im Umweltministerium, bekundete Minister Trittin, insbesondere aufgrund der Konzeption als Bürger-Windpark, Sympathie für das Butendiek-Projekt. Unterstützung in der Problematik des Baus im "Important Bird Area" (IBA) 30 Kilometer westlich von Sylt wurde zugesagt. Der Vorsitzende des Landesnaturschutzverbandes Schleswig-Holstein, Volkher Looft, bezeichnete in der Dezemberausgabe von NORDFRIESLAND (Nordfriisk Instituut: www.nordfriiskinstituut.de )eine Realisierung von 200 in vier bis fünf Reihen gestaffelten Großanlagen, mit einem Rotordurchmesser von bis zu 100 Metern, als eine Schredderanlage gegen 100 Millionen Zug(Sing)-Vögel. Der Geschäftsführer von OSB BUTENDIEK, Wolfgang Paulsen, verwies in der Zeitschrift auf eine bezüglich der Umwelt und Schiffsicherheit hochgelegte Meßlatte. Und: Durch die Windenergie, als Beitrag zur nachhaltigen Energieversorgung, müsste eines Tages die Energie nicht mehr in Öltankern über das Meer gebracht werden, sondern komme von Windkraftanlagen auf See.
Gegenwind im meerumschlungenen Lande kommt nun von steuerbords: Die CDU-Opposition im Kieler Landtag verlangt vom Energieminister Claus Möller (SPD) Genehmigungen für Offshore-Anlagen solange zu stoppen, "bis es dafür eine tragfähige rechtliche Grundlage gibt", sagte der energiepolitische Sprecher der CDU-Fraktion Trutz Graf Kerssenbrock den Kieler Nachrichten. "Die Genehmigung von Offshore-Windparks erfolgt praktisch im luftleeren Raum", wird der Landesregierung und dem außerhalb der Zwölf-Meilenzone zuständigem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie vorgeworfen. Ob die CDU hier Belange des Umweltschutzes, der Schifffahrt, des Tourismus oder gar der Bundeswehr vertritt, bleibt der Spekulation überlassen. Populistisch wird ökologische Rechtsunsicherheit außerhalb der Hoheitsgewässer bekundet. Eine ökologische Prüfung soll in der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes enthalten sein. "Die jedoch", so der Ministeriumssprecher Herbert Schnelle, "wird im Bundesrat von den CDU-regierten Ländern blockiert".
Rouge-olivgrünes Segeln am Windkraftwind und schwarzer (demnächst auch gelber?) Gegenwind! Alles reine PR-Aktionen? Welchen Anteil die nachhaltig genannte Energie einnehmen wird, hängt vorerst auch vom Erdöl(Preis) ab. Und hier steht die bürgerliche Parteien-Front geschlossen! Der "Offshore-Einsatz" bundesdeutscher Truppen, im Rahmen eines als "Terrorismusbekämpfung" deklarierten – soweit außerhalb Afghanistans – vorerst mehr Manövers, erhielt breiteste Zustimmung aus SPD/GRÜNEN/FDP und CDU/CSU. Zweck des "Out Of Area-Kriegsmanövereinsatzes": Übung der Sicherung des ungehinderten Zugangs zum Erdöl und dem ungestörten Fluss des Rohstoffs nach Deutschland und anderswo. Gegenwind – zeitweise und mittlerweile (nach PDSPD Koalitionsvertrag in Berlin) mehr beständig umlaufend – kam in der Frage nur von der PDS.
Das Wattenmeer und der Golf von Aden liegen dicht beieinander: Energiepolitisch und weltpolitisch! Alles Offshore oder was? (W. Jard)
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