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"Make Love and War"

Elsässers neuestes Buch

Eines kann man Jürgen Elsässer nicht vorwerfen: Dröge und theorielastige Bücher zu schreiben. Auch sein jüngstes Buch lässt sich dank seines unterhaltsamen Stils und der durchdachten Struktur auch noch kurz vor dem Einschlafen bewältigen. Und das schönste ist: Ständig ist man versucht, dem Autor freundschaftlich auf die Schulter zu klopfen. Denn welcheR Linke träumt nicht schon seit Jahren davon, den Grünen mal ordentlich eins rein zu würgen. Gerne liest man das beliebte Zitat von Angelika Beer zum Krieg gegen Afghanistan auch zum xten mal: "Das erste, was stirbt, ist die Wahrheit, was an diesem Punkt vertretbar ist".

Durchaus differenziert schildert Elsässer die strategischen Pläne der Grünen und anderer "68er" für eine Neuordnung der EU. Die von Joschka Fischer geprägte Vorstellung eines "Gravitationszentrums" innerhalb der EU, das – wen wundert’s – vor allem aus Deutschland besteht, vergleicht er mit der Entstehung des "zweiten Deutschen Reiches". Leseprobe: "Als Analogie zur Europäischen Union bietet sich der Deutsche Bund an, das schwerfällige und uneinheitliche Konstrukt deutscher Kleinstaaten, das nach dem Wiener Kongress 1815 entstanden war. Innerhalb dieser Struktur bildete Preußen ein immer stärkeres ‘Gravitationszentrum’, indem es mit kleineren deutschen Staaten Sonderbeziehungen einging. Als dieses Gravitationszentrum, ohne Beteiligung der übrigen deutschen Länder und sogar gegen den Widerstand einiger, 1870/71 Krieg gegen Frankreich führte und gewann, schluckte es die Peripherie. So entstand das ‘zweite’ Deutsche Reich durch die Verpreußung von Rest-Deutschland, ohne dass Preußen diesen Rest militärisch unterworfen hätte. Analog muss man befürchten, dass das europäische Reich durch eine Germanisierung gekennzeichnet sein wird, selbst wenn Deutschland nicht, wie 1914 und 1939, seine Nachbarn militärisch unterwirft. Bisweilen spricht auch Fischer Klartext: ‘Je europäischer Deutschland seine Interessen definiert, desto mehr verwirklichen sich unsere Interessen’." Hierzu zitiert Elsässer den ehemaligen Französischen Außenminister Pierre Chevènement: "Im Grunde genommen träumt Deutschland noch immer vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation". Nur: wo sich jetzt der typisch grüne Hegemonialanspruch gegenüber den Hegemoniebestrebungen der CDU ("Kerneuropa") unterscheidet, verrät uns Jürgen Elsässer nicht. Und das ist auch die Hauptschwäche des Buches: Das ganze wirkt mitunter etwas konstruiert: Natürlich macht es Spaß, den Ex-Sponti Joschka Fischer als Arschloch zu entlarven. In der Analyse der gegenwärtigen deutschen Außenpolitik hilft es aber nicht weiter, festzustellen, dass die Grünen nicht besser sind als die Sozis oder die Christdemokraten. Interessant scheint in erster Linie die Frage zu sein, wie die Grünen binnen 25 Jahren derartig verkommen konnten. Jürgen Elsässer bietet hier aber nicht viel Neues: Besonders schwach wird das Buch in dem Versuch, über die Biografien der grünen Hauptakteure den Positionswechsel der Partei zu erklären: "Die heimliche Identifikation mit den Vätern. Nur so ist zu erklären, warum die Töchter und Söhne die Schuld der Väter am Nazismus und Holocaust seit Ende der sechziger Jahre immer wieder relativieren wollen. Relativieren durch Projektion: Die Schuld der Deutschen wird projiziert auf die Opfer der Deutschen. Was die Rot-Grünen im Kosovo-Krieg an den Serben abarbeiteten […] haben zum großen Teil dieselben Personen vor zehn, 20 Jahren an den Juden geübt: Israels Premier Begin wurde auf Demo-Plakaten Anfang der 80er Jahre mit Hitlerbärtchen dargestellt, Israel der ‘Endlösung der Palästinenserfrage’ angeklagt".

Zur Ehrenrettung sei aber gesagt, dass Elsässer auch der Frage nachgeht, inwieweit ideologische Defizite zur Ausformung der olivgrünen FDP geführt haben.

Noch etwas zum Umfang des Buches: Rund ein Viertel der 172 Seiten wurden mit einer chronologischen Reihung von Glossen (vor allem entnommen aus Konkret und der jungen Welt) über die Grünen gefüllt. Der Preis von 14,50 Euro ist dafür ganz schön happig. Aber schließlich unterstützt der Leser / die Leserin dafür auch den "guten" Pahl-Rugenstein Verlag. (mk)

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