Globalisierung

Europas EU-Kritiker trafen sich in Prag:

"Das Problem ist die Souveränität"

"Es geht nicht darum, dass wir bloß nein sagen. Wir sind sehr wohl für eine enge Zusammenarbeit unabhängiger Staaten." Hans Lindquist ist in seinem Element. Stundenlang könnte er erzählen, wie man ein soziales, umweltfreundliches, demokratisches Europa aufbauen könnte, wäre da nicht dieses schreckliche F-Wort, der Föderalismus, das Synonym für den europäischen Superstaat, wie viele Skeptiker meinen. Lindquist ist quasi deren Koordinator, das heißt, er ist einer der führenden Köpfe von TEAM (The European Aliance of EU-Critical Movements), eines europaweiten Netzwerkes von Parteien und Organisationen, die dem Integrationsprozess der Europäischen Union kritisch bis ablehnend gegenüberstehen. Das Spektrum reicht von dissidenten britischen Konservativen bis zu skandinavischen Linkssozialisten. Einziges explizites Ausschlusskriterium: Rassisten werden nicht zugelassen.

Am Wochenende traf man sich in Prag zur jährlichen Mitgliederversamlung. Rund 60 Teilnehmer waren gekommen, darunter auch einige Beobachter aus Deutschland. 41 Verbände aus 14 Ländern gehören dem Netzwerk an, doch aus der Bundesrepublik ist keine Organisation dabei. Ein Manko, das einigen Teilnehmern Kopfzerbrechen bereitet: "Wir stehen unter Druck aus Bayern und Österreich, das Eigentum der nach dem Krieg ausgesiedelten Deutschen anzuerkennen", beschreibt Stanislav Patejdl, einer der Gastgeber, die schwierige Lage der Tschechischen Republik in den EU-Beitrittsverhandlungen. "Unsere Presse befindet sich weitgehend in der Hand ausländischer Unternehmen, hauptsächlich solcher aus Deutschland. Unsere Möglichkeiten, kritische Positionen zu veröffentlichen, sind also sehr begrenzt." Seine Gruppe, "Res Publica", versucht unter anderem übers Internet, etwas Abhilfe zu schaffen.

Mit dem Zusammentreten des Konvents, so Patejdl, stehe Europa am Scheideweg. Das sieht Jens-Peter Bonde aus Dänemark ganz ähnlich. Bonde ist einer der wenigen EU-Kritiker in der über 100köpfigen Versammlung, die seit dem 28. Februar über eine Quasiverfassung für die EU berät. "Das Problem", so Bonde, "ist im einzelnen nicht unbedingt der Inhalt so einer Verfassung. In der Menschenrechtscharta stehen durchaus auch Dinge, die besser sind als das, was die dänische Verfassung zu bieten hat. Aber das Problem ist die Souveränität. Für uns ist es vollkommen unakzeptabel, dass wir unsere Verfassung ändern, weil wir von außen dazu gezwungen werden." Es gäbe viel Gerede über Kompetenzaufteilung, doch die Schlüsselfrage in der EU-Verfassungsdiskussion sei, wer letztlich bestimmt, auf welcher Ebene welche Entscheidung zu treffen ist.

Dass das möglichst weit unten sein sollte, darüber war man sich am Wochenende einig. Heute würden 70 Prozent aller Entscheidungen in Brüssel von Beamten der Mitgliedsstaaten getroffen, so Bonde, der auch für die dänische Juni-Bewegung im Europaparlament sitzt. Seine Forderung: Alle EU-Verordnungen sollten auch in den nationalen Parlamenten behandelt werden, damit die Öffentlichkeit zumindest eine kleine Chance habe, in die Diskussion einzugreifen. Schließlich gebe es nur nationale Öffentlichkeit.

Einen breiteren Raum nahm in Prag die Debatte über Volksabstimmungen ein. Vertreter aus Irland, Norwegen und Dänemark berichteten von ihren erfolgreichen Referenden, machten aber auch klar, dass sie, solange es keine Unterstützung aus den größeren Ländern gebe, immer nur die Wahl zwischen "Ja" und "Ja, bitte" haben werden. Entsprechend wurde der Vorschlag von Thomas Rupp von der deutschen Initiative "Mehr Demokratie" positiv aufgenommen, eine europaweite Kampagne für einen Volksentscheid über die Ergebnisse des Konvents zu starten. Motto: "Die Menschen müssen selbst über Europas Zukunft entscheiden." (wop)

Informationen im Internet: TEAM , Res Publica

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