Kernspalte

Unsicher sind sich zur Zeit die Atomanlagenbetreiber, welcher Typ Bundesregierung ihren Speichel am liebsten leckt. Deshalb stieß die Ankündigung des CSU-Kandidaten Stoiber, im Falle des Wahlsieges die Vereinbarungen des "Atomkonsens" sofort rückgängig zu machen, nicht überall auf Gegenliebe. Spitzenvertreter der Atomindustrie gaben laut der BZ zu verstehen, dass sie die Vorzüge des ausgehandelten Vertrages schätze, der ihr Laufzeiten von weit über 30 Jahren genehmige und die Diskussion um schnelle Abschaltungen weitgehend stillgelegt habe. Einige Tage später wollte ein EnBW-Sprecher diese Aussage relativieren; den Ausstieg halte man schon für falsch, die Vereinbarung aber nicht. HEW und E.ON lehnten eine Stellungnahme ab, man wolle sich nicht in den Wahlkampf einmischen.

Michael Sailer vom Ökoinstitut Darmstadt fiel vor einiger Zeit schon durch seine Apologetik der Atommülltransporte auf. Offensichtlich empfahl er sich mit seiner ausgewogenen Haltung zur Atomtechnik für höhere Aufgaben, denn nun ist er neuer Vorsitzender der Reaktorsicherheitskommission, die den Umweltminister in Fragen der Sicherheit von Atomanlagen und Zwischenlagern berät. Seine erste Sorge nach Amtsantritt galt gar nicht mal so überraschend dem wissenschaftlichen Nachwuchs in der Atomphysik. Davon gäbe es zu wenig, so dass die "Sicherheitskultur" in wenigen Jahren gefährdet sei. Eine hervorragende Werbung wäre der Slogan "Ein Beruf mit Zukunft" gewesen, den Sailer - schon ganz Regierungsmitglied - jedoch vermied, um die offizielle Interpretation des Atomkonsens als "Ausstieg" nicht frühzeitig zu unterlaufen.

Falls es im letzten Jahr eine Rezession gegeben hatte und auch ein paar Skandale um die Sicherheit in Philippsburg und Neckarwestheim, so sind diese doch an der Jahresbilanz des Betreibers EnBW spurlos vorübergegangen: Der Konzerngewinn stieg um 43,5% auf 115 Mio. EUR, der Umsatz um 34,9% auf 7,8 Mrd. EUR. Als Motor für diese Entwicklung nannte der Vorstandsvorsitzende Goll die Neckarwerke, den Stromanbieter Yello und die Salamander AG.

Ungeachtet der Krisensituation im ersten Reaktorblock wurde in Temelin nun der zweite mit Brennstäben beladen. Die Kettenreaktion soll vermutlich Anfang Mai gestartet werden.

Nicht nur Brunsbüttel, auch das ukrainische Khmelnitzky leistete sich ein geborstenes Kühlwasserrohr. Im Unterschied zu Brunsbüttel war das ausgetretene Wasser allerdings radioaktiv. Auch im wegen Umbaumaßnahmen abgeschalteten Reaktor Biblis A erreichte man eine vergleichbare Überschwemmung mit leicht radioaktivem Abwasser, weil beim Aufbau eines Montagegerüstes eine Kunststoffleitung an einem Auffangbehälter demoliert wurde. Andererseits ließ sich ein Ventil nicht öffnen, das Kühlwasser auf den Notstromdiesel leiten sollte, wodurch wieder Wasser gespart wurde. Und weil die Handwerker grad dabei waren, ließen sie auch noch ein 750-kg-Metallgestell für ein Ultraschallgerät in den Reaktordruckbehälter fallen, wo es möglicherweise Schäden anrichtete. Vielleicht hatte der Betreiber RWE an den Handwerkern gespart, weil er grad 5 Mrd. EUR für den britischen Strom- und Gaskonzern Innogy bieten mußte. Der hat fast 4 Mrd. EUR Schulden. Egal, meint RWE, global prayer und durch. (BG)

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