Kommentar

Deutscheuropäisch "Number One"

"Würden Sie heute HDW kaufen?" konterte 1983 ein Manager die Frage nach Verkaufsabsichten. Für die am Rande der Insolvenz schlingernde Werft hätte damals ein Käufer nur eine symbolische Mark hingelegt. Großbritannien, Schweden, USA und andere alte Schiffbauländer verabschiedeten sich seinerzeit gänzlich aus dem nichtmilitärischen Schiffbau. In der BRD blieb der Schiffbau eine "nationale Aufgabe". Wohlgemerkt: Der hochseegängige Handels-Schiffbau, Binnenschiffswerften haben nie einen Pfennig an Subventionen erhalten. Der damals noch bundes- und landeseigenen HDW wurde indes vermittels einer Kapitalaufstockung für den Bau von NATO-Zugriffstonnage (APL-Containerschiffe, vgl. LinX 4/02) auf die Beine geholfen. Graue Kriegsschiffe waren nur mäßig im Bau. Positive Ergebnisse resultierten aus Zinsgewinnen der Anzahlungen für U-Boot-Package-Lieferungen an ausländische Bauwerften. International wurde ein illegaler "Blaupausen"- und Materialexport der HDW an Südafrika bekannt. Die HDW-Belegschaft wurde sukzessive "sozialverträglich" von 12.000 auf unter 3.000 abgebaut. Der Hamburger Werksteil wurde ganz, in Kiel zwei von drei Werken stillgelegt. Für die kontaminierten Areale (heute Ostuferhafen und Hörngelände) zahlte die Stadt Kiel überhöhte Preise und betätigte sich so quasi als Nebensponsor. Heute ist neunzig Prozent des Auftragsbestands der HDW-Group militärisch. Zehn Prozent Rendite hat die an flüssigem-Geld-Mangel leidende Babcock Borsig AG kürzlich ab 2003 signalisiert. Die Bank One bzw. deren Tochter One Equity Partners hörte die Signale und kaufte, was Babcock nicht zu kaufen in der Lage war: Die Mehrheit der HDW-Aktien liegt bei der US-Bank. Die unternehmerische Führung weiter (vorerst?) bei der Babcock, die eine Sperrminorität hält. Ob mit oder ohne Bank One: Im Militärisch-Industriellen Komplex wird HDW absehbar die Number One einer deutsch-europäischen Einigung zu Wasser bleiben. Militär-Werften in Schweden und Griechenland sind in deutscher (HDW-) Hand, portugiesische im Gespräch mit HDW/Ferrostaal/Thyssen. Ob mit oder ohne "nationalem" Handelsschiffbau in Kiel? Das hängt vor allem davon ab, wann und wie sich HDW und die Thyssen-Werften verbünden. Internationale Wettbewerbsfähigkeit beim Bau von U-Booten und Fregatten ist Number One. Geschäftspolitisch und Militärpolitisch! "Würden Sie heute HDW kaufen?" (W. Jard)

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