Kommentar:

Tödlicher Kreislauf

Während die LinX produziert wird, fünf bis sechs Tage, bevor ihr sie in den Händen haltet, belagert die israelische Armee den Amtssitz von Yassir Arafat in Ramallah. Die Mauern des Grundstücks sind bereits eingerissen, der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde sitzt im Keller des Hauses. Israels Regierung hat ihn zum Feind erklärt und macht ihn für die Selbstmordattentate verantwortlich.

Die Situation steht auf Messers Schneide. "Was würde passieren", fragte am Wochenende der bekannte israelische Friedensaktivist Uri Avneri, "wenn in der jetzigen Situation ein israelisches Geschoss Arafat tötet?... Die Welt würde für jeden Israeli zur Hölle werden. ... Keine israelische Botschaft, kein Flugzeug, kein Tourist wäre mehr sicher. Der lebende Arafat ist in der Lage und Willens, Frieden zu schließen. Der Tote kann es nicht, sondern würde den Konflikt verewigen."

Es ist müßig, zu fragen, was zuerst war: Die Selbstmordattentate auf unbeteiligte Passanten oder die gezielt erschossenen Kinder, fanatisierte Menschen oder erschossene Ärzte und Sanitäter, die, wie Anfang März in Ramallah geschehen, von israelischen Soldaten getötet wurden, als sie versuchten, Verwundete zu bergen. Offensichtlich ist allerdings, dass sowohl bei der israelischen Regierung, als auch den Hintermännern der Selbstmordattentate das Interesse an Frieden begrenzt ist: "Wann immer in den vergangenen Jahren eine Friedensinitiative wagte, ihren Kopf herauszustecken," schrieben Adam Keller und Beate Zilversmidt von der israelischen Friedensgruppe Gush Shalom Anfang des Monats, "waren Ariel Sharons Regierung und die Armee mit einer blutigen Provokation zur Hand. Einer Provokation, die niemals lange auf eine ebenso blutige Antwort von palästinensischer Seite warten ließ, der wiederum eine israelische Revanche folgte und so weiter. Revanche auf Revanche auf Revanche."

Dieser blutige Kreislauf kann nur durchbrochen werden, wenn internationaler Druck die Kontrahenten an den Verhandlungstisch zwingt. Erstmalig liegt das Angebot der arabischen Liga vor, Israel anzuerkennen, wenn es sich aus den besetzten Gebieten zurückzieht. Die NATO-Staaten haben es in der Hand, Sharon zum Einlenken zu nötigen, doch dazu müssen sie offenbar ihrerseits von der Öffentlichkeit gezwungen werden. (wop) 

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