Ratssplitter

Manchmal wundert sich auch der hartgesottene Beobachter noch, was so alles in den Kieler Rat gewählt wird: "Ich kann nicht so gut rechnen, ich hatte Mengenlehre", gestand Ratsherr Vieregge (CDU) seinen Kolleginnen und Kollegen auf der letzten Ratssitzung (21.3.) und fand das offenbar recht witzig.

Weniger witzig, dafür spannend wurde es bei der Wahl des neuen Sozialdezernenten. Der Lieblingskandidat der SPD Alfred Bornhalm, der bereits in der Stadtverwaltung arbeitet, fiel durch. Er erhielt nur 21 Stimmen. Dabei hatte sich Fraktionschef Raupach so sehr einen Dezernenten gewünscht, der gestaltet, nämlich "Sozialhilfe und Arbeit verknüpft" und mehr freie Träger einbindet, d.h. die Personalkosten weiter drosselt. Aber ob der von der CDU und den Grünen favorisierte und letztlich gewählte Adolf M. Möller besser sein wird, darf bezweifelt werden. Am 15. April tritt er sein Amt an.

Ansonsten herrschte aber in den wirklich wichtigen Fragen Geschlossenheit an der Heimatfront: Kiel braucht ein Marinemuseum. Bei den Grünen war man nur ein wenig pikiert, nicht in die vorbereitende Diskussion mit einbezogen worden zu sein. Rainer Pasternak (Grüne) wies bei der Gelegenheit darauf hin, dass die Stadt schon voll sei mit "Denkmälern für jene, die für Führer, Volk und Vaterland jämmerlich ersoffen sind und die das Gedenken auch verdient haben." Auch ein "unbefangener Zuhörer" namens Norbert Gansel meldete sich in der ihm eigenen ausholenden Weise zu Wort, um größtmögliche Zustimmung zu erbitten. Bei so einem "identitätsstiftenden Projekt" müsse die Stadt sich auch finanziell engagieren. Da heiße es: "Klotzen, und nicht kleckern!" Wahrlich seltene und erinnerungswürdige Worte aus dem Munde des städtischen Meistersparers.

Enttäuschend war diesmal die Vorlage des jährlichen Tätigkeitsberichts der Frauenbeauftragten. Der schon traditionelle Schlagabtausch mit Gansel blieb aus. Dafür wurde die Leserin gleich im Vorwort mit einem kleinen Bonbon entschädigt: "Nach einer Statistik der Vereinten Nationen wird bei gleichbleibendem Tempo des Prozesses eine Gleichberechtigung der Geschlechter im Jahre 2490 erreicht sein. Immerhin - vor zehn Jahren lag die Prognose noch nach dem Jahr 2500."

Schon seinerzeit bei der Vorstellung des berüchtigten WIBERA-Gutachtens beschlich die LinX-Reprter das Gefühl, vielleicht den Job verfehlt zu haben. Satte 900.000 Euro lässt sich die Stadt "Beratungsleistungen" kosten, die bei der "Suche nach einem strategischen Partner für die Kieler Verkehrsgesellschaft mbH (KVG)" (so heißt die KVG seit neuestem) anfallen. Wir hoffen, dass die Beratungsfirma nicht gerade Andersen heißt, die in Deutschland bei den Kommunen groß im Geschäft sein soll und in den USA zuletzt auffiel, als sie den Bush-Spezies bei Enron beim vernichten von Akten behilflich war. Übrigens: Auch TXU, d.h. indirekt die Stadtwerke, haben bei Enron ein paar offene Rechnungen, die jetzt wohl perdu sind. Aber zum Glück zahlt sich die Kieler Beteiligung für die Texaner ja reichlich aus, so dass sie den Verlust verschmerzen werden können.

Und wenn dann noch die Wünsche des Ratsherren Görgner (Grüne) in Erfüllung gehen, können die Kieler bald "event-baden". Ist doch was. Zumindest für die, die es sich leisten können.

Die nächste Ratsversammlung ist am 16.5. (wop)

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