Dokumentiert

Bush-Besuch in Berlin

OFFENER BRIEF

Im Mai wird George W. Bush nach Deutschland kommen. Aus diesem Anlass hat eine Gruppe von Wissenschaftlern und Studierenden einen Offenen Brief an Bundeskanzler Gerhard Schröder initiiert.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler

wir – die unterzeichnenden WissenschaftlerInnen und Studierenden – wenden uns an Sie, um anlässlich des Besuches des US-Präsidenten Bush unsere tiefe Besorgnis über die gegenwärtige deutsche und amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik zum Ausdruck zu bringen.

Auch uns haben die menschenverachtenden Attentate vom 11. September 2001 tief erschüttert. Auch wir sehen die Notwendigkeit einer konsequenten Bekämpfung des Terrorismus.

Wir halten eine verstärkte internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus für notwendig und sind dafür, dass der Internationale Strafgerichtshof für Kriegs- und andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausgebaut wird.

Terrorismusbekämpfung heißt für uns aber auch, die Lösung der Konflikte in Angriff nehmen, vor deren Hintergrund die Terroristen ihre Kader rekrutieren; das heißt für uns mitzuhelfen, weltweit soziale und kulturelle Diskriminierungen abzubauen.

Die gegenwärtige Politik der USA steht dem entgegen. Die Kriegsrhetorik von George W. Bush ("Kampf zwischen Gut und Böse", "Achse des Bösen" etc.), Tausende getöteter Zivilisten als "Kollateralschäden", die menschenunwürdige Behandlung von Kriegsgefangenen, das alles bereitet den Boden, auf welchem die Terrororganisationen neuen Nachwuchs heranziehen können. Diese Politik verhindert die politische Lösung ökonomischer und sozialer Konflikte.

Die Ankündigung weiterer "Kriege gegen den Terror", vor allem die unverhohlenen Kriegsdrohungen gegen den Irak, sind Ausdruck einer eindimensional der militärischen Eskalation verpflichteten Außen- und Sicherheitspolitik, welche bereit ist, für die eigenen politischen, ökonomischen und militärischen Interessen das Völkerrecht zu brechen.

Wir sind zutiefst beunruhigt, weil die US-Regierung unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung zu einer beispiellosen Hochrüstung ansetzt. Dazu gehören die weitere Erhöhung des bereits extrem hohen Rüstungsetats um 48 Mrd. US-Dollar für das Jahr 2002 – in 2006 will die Bush-Regierung schier unglaubliche 451 Mrd. US-Dollar für Rüstung ausgeben, das ist mehr als der Gesamthaushalt Deutschlands in 2 Jahren. Dazu gehören die Pläne für eine Militarisierung des Weltraums (NMD), die Erweiterung der atomaren Erstschlagsoption durch die Bereitschaft, Atomwaffen auch gegen Nicht-Atomwaffen-Besitzende-Staaten einzusetzen, die Pläne zur Produktion von "Mini-Nukes" als einer der Neutronenbombe ähnlichen Waffe. Diese Politik erhöht die Atomkriegsgefahr. Sie führt zu Hochrüstung – auch atomar – in anderen Ländern und damit zur Vernichtung von Ressourcen, die dringend zur Beseitigung von Hunger und sozialem Elend benötigt werden.

Diese US-Politik, die einseitig auf die Verfestigung und Durchsetzung machtpolitischer Überlegenheit der Weltmacht gerichtet ist, kann keine "uneingeschränkte Solidarität" erfahren, Herr Bundeskanzler! Sie erfordert den schärfsten Protest.

Deutschlands Rolle darf nicht darin bestehen, im Fahrwasser der Bush-Politik Bundeswehreinheiten weltweit einzusetzen. Deshalb erwarten wir von Ihnen auch den sofortigen Rückzug der kämpfenden Truppe aus Afghanistan und der deutschen Soldaten aus den Kriegsaufmarschgebieten der USA.

Friedenspolitik muss sich orientieren an den Prinzipien:

Deutsche Politik muss Friedenspolitik werden!

(Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Forum Friedenspsychologie - BewusstSein für den Frieden, Freier Zusammenschluss der Studierendenschaften, Informationsstelle Wissenschaft und Frieden, Juristinnen und Juristen gegen atomare, biologische und chemische Waffen – Sektion BRD der IALANA, Kulturwissenschaftler für Frieden und Abrüstung in Ost und West, NaturwissenschaftlerInnen-Initiative "Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit", Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden, Paxforum für Friedenskultur)

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