Verbots-Diskussion

NPD verbieten und auflösen!

Auf einer Veranstaltung des Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus in Kiel am 18.04.02 antwortete der Landtagsabgeordnete Jürgen Weber (SPD) auf die Frage, ob es nicht sinnvoll sei, das Grundgesetz durch einen Artikelabsatz zu ergänzen, der nationalsozialistische oder den Nationalsozialismus rechtfertigende Propaganda als verfassungswidrig kennzeichnet: Nein, das sei ganz überflüssig; schließlich gebe es den Artikel 139 GG, der das eindeutig feststelle. Interessant dabei ist, daß ein einflußreicher Politiker den Artikel 139 erstens kennt und zweitens überhaupt erwähnt. (Unser Innenminister Herr Buß kannte ihn noch vor etwa anderthalb Jahren nicht, wie auf einer Veranstaltung bei der türkischen Gemeinde deutlich wurde, und erwähnen mag er ihn seitdem auch nicht.) Dieser Artikel schreibt den Fortbestand der nach der Befreiung vom Hitlerfaschismus erlassenen Bestimmungen zur rückstandslosen Zerschlagung der NSDAP und der Verhinderung der Gründung irgendwelcher Nachfolgeorganisationen fest. Diesem Artikel entsprechend hätte z.B. die NPD 1964 niemals gegründet werden dürfen - sie hätte, einmal ins Leben gerufen, umstandslos aufgelöst werden müssen und können. Entgegen den verfassungswidrigen Äußerungen verschiedener Politiker verschiedener Regierungsparteien ist dieser Artikel nach wie vor gültig und sollte Grundlage eines Verbotsverfahrens gegen die NPD auch heute sein. Damit wäre auch sichergestellt, dass in dem Verbotsverfahren und in einer eventuellen Verbotsverfügung durch das Bundesverfassungsgericht nicht Verbotsgründe benannt werden, die sich gegen jegliche Opposition, vor allem aber gegen linke Gegner des (auch für den Faschismus verantwortlichen) kapitalistischen Gesellschaftssystems, gegen Organisationen der Arbeiterbewegung benutzen lassen.

Den Artikel 139 zur Grundlage eines NPD-Verbots zu machen, lehnte Herr Weber jedoch ausdrücklich ab: das Bemühen, ein System wie das des Nationalsozialismus errichten zu wollen, werde man der NPD auf keinen Fall nachweisen können. Und sich auf den Artikel 139 zu berufen und daraus das Recht auf Widerstand gegen Nazi-Umtriebe heute abzuleiten, sei ganz unmöglich und könne "nicht geduldet werden". Na denn. Wir dürfen die Nazis trotzdem nicht marschieren lassen, wenn wir es irgendwie verhindern können, ob sie nun schon verboten sind oder überhaupt verboten werden oder eben nicht. Für das Verbot aller Nazi-Organisationen müssen wir unbeirrt weiterhin eintreten.

Bedenkenswertes

"Wir werden nicht Ruhe geben,

- solange die Greuel des Faschismus verdrängt werden;

- solange man sich weigert, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen und abermals blind ist gegen die Gefahren von rechts;

- und solange abermals im Sumpf der wirtschaftlichen Krise Kräfte emporkommen, die bereit sind, die Völker in die Armut zu treiben und am Ende in den Krieg. Nein, wir werden nicht Ruhe geben, bis jener Auftrag eingelöst ist, unter dem wir alle nach 1945 angetreten sind.

Damals kehrten wir selbst und unsere Väter heim aus Krieg und Gefangenschaft, aus den Gefängnissen, den KZ´s und dem Exil. Damals kamen unsere Mütter und Schwestern aus den Trümmern unseer Städte, alle einig in dem Bekenntnis: "Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!"

Damals wurden Gesetze zur Beseitigung des Nationalsozialismus erlassen. Unsere Verfassung bestimmt, dass "die zur Befreiung des deutschen Volkes erlassenen Rechtsvorschriften" bestehen bleiben. Die nationalsozialistische Partei und alle Nachfolgeorganisationen sind verboten.

Wir fordern: Nehmt endlich diese Gesetze und den Auftrag unseres Grundgesetzes ernst und verbietet z.B. die NPD und löst alle neofaschistischen Gruppen auf!"

Wer sich hier ausdrücklich auf den Artikel 139 GG bezieht, ist der damalige Vorsitzende der IG Druck und Papier, Leonhard Mahlein. Er tat dies 1983 auf einer Rede zum 50. Jahrestag der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler. Das ist die gewerkschaftliche Tradition, die wir zu bewahren und heute mit Leben zu erfüllen haben.

Bedenkanswert ist vieles mehr an dieser Rede. Es schadet nicht, sich gerade heute etwa an diese Ausführungen zu erinnern: "Seit Jahren erleben wir eine wirtschaftliche Krise mit wachsender Arbeitslosigkeit. Wie am Ende der Weimarer Republik. Und wie damals zeigen sich die Politiker entweder hilflos oder aber setzen unverhohlen darauf, die Krisenlasten den Opfern aufzubürden: den Arbeitern und Angestellten, den Rentnern und Kranken, den Arbeiterkindern und Studenten. Sozialabbau ist Trumpf, in den Betrieben wie in der staatlichen Politik.

Wir klagen eine Politik an, die durch Tatenlosigkeit dazu beiträgt, daß sich die Arbeitslosigkeit noch weiter verschärft. Nicht der Sozialstaat, nicht die Höhe der Sozialausgaben, nicht geheimnisvolle weltwirtschaftliche Kräfte sind die Ursachen der Arbeitslosigkeit. Nein, die Ursachen liegen in der marktwirtschaftlichen Ordnung selbst begründet. (...) Deshalb kämpfen wir unverändert für eine andere, soziale, menschengerechte Wirtschaftsordnung." - 1983! - Kollege Bsirske, was würdest Du dem Genossen Mahlein heute darauf sagen? (D.L.)

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