Dokumentiert

"Gesundheit ist keine Ware"

Mit 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gut besucht war am 20. April eine bundesweite Konferenz von attac und Ver.di unter dem Motto "Gesundheit ist keine Ware" in Heidelberg. "Wir werden die Gesundheitspolitik nicht länger den Lobbyisten überlassen, sondern uns als Patienten aktiv für den Erhalt eines solidarischen Gesundheitssystems einmischen", so Werner Rätz vom attac-Koordinierungskreis in seiner Eröffnungsrede. Die Tagung soll Auftakt zu einer Kampagne gegen die Privatisierung der Gesundheitsversorgung sein. Gekommen war u.a. auch Horst Schmitthenner vom Vorstand der IG Metall.

Nachfolgend dokumentieren wir die Heidelberger Erklärung:

Nein zu den Operations-Plänen an der Gesundheitsversorgung!

Gesundheit ist keine Ware

Gesunde Lebensbedingungen und Hilfe bei Krankheit sind ein Menschenrecht - es scheint allerdings eher für die Zahlungsfähigen reserviert. Weltweit wird es vielen, in den armen Ländern des Südens den meisten Menschen vorenthalten.

Auch in der Bundesrepublik Deutschland plagt die Patientinnen und Patienten neben ihrer Krankheit zunehmend das Misstrauen: Werde ich zu Untersuchungen geschickt, um angeschaffte Geräte auszulasten? Werden mir Medikamente verweigert, weil mein Arzt sein Budget bereits überzogen hat? Oder hat er nur die Gefälligkeiten der Pharmavertreter im Sinn? Wird der Privatpatient nebenan besser versorgt? Werde ich aus dem Krankenhaus entlassen, weil den Klinikbesitzern meine Krankheit dort zu teuer wird? Wird mit dem alten Märchen von der "Kostenexplosion" der Ausverkauf des Gesundheitswesens schöngeredet?

Es gibt Grund zur Sorge: Immer mehr wird (häusliche) Pflege zur bestenfalls schlecht bezahlten "Frauenarbeit", weil öffentliche Angebote gekürzt werden? Ausbildungsplätze im Gesundheitswesen werden abgebaut, die Einkommen der Beschäftigten abgesenkt und überlange Schichten geduldet, weil der Ausweg aus dem Personalnotstand so aussehen soll: Billiger Einkauf von medizinischem Fachpersonal aus Indien, von den Philippinen oder Albanien, der schrittweise die Gesundheitsversorgung in deren Heimatländern zerstört. Die im Gegenzug angebotenen patentgeschützten Medikamente verstärken die Verschuldung und Abhängigkeit der arm gemachten Länder noch.

Radikale Schnitte werden verlangt: Das Dogma der Globalisierungsgewinner heißt: Lohnnebenkosten senken. Mit den "Sachzwängen" der internationalen Standortkonkurrenz begründen sie - wie bei der Rente - den weiteren Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung von Sozialsystemen. Ihr Allheilmittel für bessere Versorgung heißt Wettbewerb. Wer sind die Gewinner? Die Besserverdienenden und die Kapitaleinkünfte der Wirtschaft, sie werden nicht herangezogen, um die Folgen von Lohndumping und Arbeitslosigkeit für die gesetzliche Krankenversicherung auszugleichen. Und die Verierer? Werden mangelnde Qualität, Überdiagnostik und Unterversorgung denn durch Preiswettbewerb kuriert?

Es gibt also viel zu verbessern. Gesundheitsversorgung für alle bedeutet, PatienInnen wie Versicherte nicht Marktkräften zu überlassen. Eine Gesellschaft der Solidarität der Starken mit den Schwachen, des Nordens mit dem Süden, der Noch-Gesunden mit den Kranken ist notwendig und möglich. Doch in den Gesundheitsministerien werden ganz andere Operationspläne vorbereitet. Die Solidarität soll amputiert werden, die Kranken den Konkurrenzmärkten und privater Beutelschneiderei überlassen, die Grenzen für globale Gesundheitsvermarkter eingerissen werden.

Wir werden uns gegen diese Einschnitte kräftig wehren.

Gesundheit darf nicht vom Geldbeutel abhängen: Wir wollen, dass Privatisierung und Marktkonkurrenz im Gesundheitswesen gestoppt werden und eine demokratisch organisierte Gesundheitsversorgung für alle als öffentliche weltweite Aufgabe wahrgenommen wird.Am 15. Juni werden wir bundesweit mit örtlichen Aktionen aufklären, welche Gefahren der solidarischen und paritätischen Finanzierung unserer Gesundheitssicherung drohen und welche verheerenden Nebenwirkungen bereits jetzt auftreten.

Am 14. September, eine Woche vor der Bundestagswahl, werden wir gemeinsam in Köln unter dem Motto "Her mit dem schönen Leben - Diesmal richtig umverteilen" demonstrieren, dass wir mit unseren Wahlkreuzen nicht die Einwilligung für Einschnitte in unsere Versorgung geben.

Wenn nach der Wahl in den Koalitionsverhandlungen die Rücksichten fallen und Klartext geredet wird, werden wir hellwach sein: Bei unserer Gesundheit haben wir nichts zu verschenken oder zu verkaufen.

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