Kommentar

Generationswechsel

Der Grüne Landesverband hat Angelika Beer abblitzen lassen. Nach drei Legislaturperioden (mit einer unfreiwilligen Unterbrechung nach den 90er-Wahlen) wird sie ab dem Herbst dem Bundestag nicht mehr angehören.

Nun ist man als Westlinker versucht, ein wenig Häme hinterherzugießen. Immerhin war Beer in Schleswig-Holstein maßgeblich an der Methamorphose der Grünen von einer pazifistischen Partei zum Wegbereiter deutscher Aggression in aller Welt beteiligt. Und sicherlich ist die rationale Einsicht darin, dass dieser Prozess seit langem absehbar war und 1998/99 nur seinen Abschluss gefunden hat, etwas anderes, als dies auch emotional nachzuvollziehen. Besonders, wenn man eine ähnliche politische Sozialisation durchlaufen hat, die Grünen und vor allem einzelne Personen wie Beer über lange Jahre als Bündnispartner angesehen und erlebt hat. Entsprechend waren viele (west-)linke Reaktionen auf die bittere Realität grüner Regierungspolitik seit 1998 emotional. Ein schmerzhafter Scheidungsprozess eben, der aber, das sollte man sich gelegentlich vor Augen halten, nur für einen von Alter und Geografie bestimmten Teil der deutschen Linken wirklich Relevanz hatte.

Beers (und übrigens auch Christian Stroebeles) bevorstehender Abgang aus dem Bundestag verschafft angesichts dessen also ein wenig mehr Klarheit. Es findet ein Generationenwechsel statt. Die Nachrücker sind zumeist genau die Leute, die die Grüne Partei am besten repräsentieren können: Junge, an ihrer Karriere orientierte Menschen, die zur Linken nicht einmal mehr biografische Beziehungen haben. Und das ist gut so, um es mit den Worten eines Berliner Sozialdemokraten auszudrücken, der in der Hauptstadt gerade einen anderen einstigen linken Hoffnungsträger domestiziert. (Wobei sich das als ein wesentlich leichteres Werk als der Grünen Zähmung erweist.)

Linke können sich also wichtigeren Dingen zuwenden, als sich immer noch einmal an den Grünen abzuarbeiten. Als da zum Beispiel die Frage wäre, warum die sozialen Bewegungen in Deutschland eigentlich im Vergleich zu den meisten anderen Industriestaaten so überaus unterentwickelt sind. Selbst in den USA mit ihrem massiven patriotischen Formierungsprozess regt sich mehr Dissens als hierzulande, wie die grossen Friedensdemonstrationen am 20. April gezeigt haben. (wop)

LinX-Startseite Inhaltsverzeichnis