Globalisierung

BUKO-Kongress:

Tatort Globalisierung

"Tatort Globalisierung - Internationalismus nach Seattle, Genua und dem 11. September" so titelte der diesjährige Bundeskongress der "Bundeskoordination Internationalismus", vormals "Bundeskongress entwicklungspolitischer Aktionsgruppen", bekannt als BUKO, der vom 9. bis 12. Mai in Frankfurt am Main stattfand. Den ca. 800 Teilnehmern boten sich insgesamt fünf Podiumsdiskussionen und ca. 30 Arbeitsgruppen.

Höhepunkt des Kongresses war sicher die Diskussionsveranstaltung "Wege aus der Sackgasse ... Der Nahost-Konflikt und die Solidaritätsbewegung". Referenten waren Sabah Alnasseri (Politologe und Exiliraker aus Frankfurt), Aida Touma Souliman (Geschäftsführerin der arabischen Frauenrechtsorganisation "Women against Violence") sowie Moshe Zuckermann (Historiker und Autor aus Tel Aviv). Moderiert wurde die Veranstaltung von Christian Stock vom iz3w, der auch die Arbeitsgruppe am nächsten Tag mit Moshe Zuckermann als Referenten organisiert hatte und an der auch Aida Touma Souliman teilnahm.

Die Diskutierenden sahen ihre schlimmsten Befürchtungen durch die Realität übertroffen, eine politische Lösung des Krieges in Israel und Palästina sei aussichtsloser denn je. Die hiesige Linke sei an dieser Frage gespalten wie nie zuvor. Die israelische Gesellschaft hat in den vergangenen zehn Jahren einige grundlegende strukturelle Veränderungen erfahren. Es handelt sich um Erscheinungen, die sich von Widersprüchen und Konfliktpotenzialen herleiten, die über Jahrzehnte gleichsam "unter der Oberfläche" schwelten, im Zuge des in den 90er Jahren einsetzenden Friedensprozesses und der sich mit ihm scheinbar aufhebenden "Sicherheitsfrage" indes gleichsam "an die Oberfläche" des innerisraelischen Diskurses und Israels Tagespolitik gelangten. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang das ideologisch-politische Problem von Staat und Religion, die sich zuspitzenden innerjüdischen ethnischen Spannungen, die weite Öffnung der sozialen Schere, die als Folge von jahrzehntelanger Diskriminierung und Unterprivilegierung sich abzeichnende politische Radikalisierung der arabischen Minderheit in Israel sowie die kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Folgen der Masseneinwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion in den 90er Jahren.

Die neue Intifada hat mehr Opfer gefordert als die Auseinandersetzungen in den letzten zwanzig Jahren. Israel habe, so Moshe Zuckermann, die Wahl zwischen Skylla und Charybdis (Pest und Cholera), d.h. entweder gibt Israel die besetzten Gebiete zurück. Dann genügen 5.000 bis 10.000 Hardliner, die sich in den Siedlungen verschanzen, um ein Bild heraufzubeschwören, in dem Juden auf Juden schießen. Oder Israel gibt die besetzten Gebiete nicht zurück. In einer linksliberalen Perspektive wird die Infrastruktur in den besetzten Gebieten als irreversibel angesehen, eine Einschätzung, die politisch umgesetzt werden müsse. In der rechtsextremen Perspektive kann eine Rückgabe nicht gedacht werden, selbst wenn die Palästinenser dem zustimmen würden. Israel befände sich dann in einem Dauerzustand als Besatzungsmacht, in einem Dauerzustand der Gewalt in einer binationalen Struktur. Moshe Zuckermann, wies immer wieder darauf hin, dass es von innen heraus zu einem Entschluss kommen muss. Die Vorstellung, dass man Israel zu etwas zwingen kann, kommt von kolonialem Denken. Israel ist der höchstbewaffnetste Staat der Welt. Eine gewaltsame Lösung würde bedeuten, dass der Nahe Osten binnen zwei Tagen in Schutt und Asche gelegt wird.

Aida Touma Souliman bestätigte, dass eine Lösung nicht von den Palästinensern ausgehen könne, in einem ungleichen Kampf, in dem die Palästinensische Autonomiebehörde ihrer Infrastruktur beraubt sei. Erfolgreiche Dialogansätze seien in der jetzigen Situation zerstört. Keine Illusionen will sich Aida Touma Souliman über die derzeitige Stärke der israelischen Friedensbewegung machen. "Aber es können Veränderungen stattfinden, wenn die schlimmsten Tage kommen, sie werden kommen." Aida Touma Souliman erinnerte an das Oslo-Abkommen von 1988, das damals als problematisch kritisiert wurde, das sie sich jetzt aber aus heutiger Sicht wünsche. Aus dem Publikum wurden mehrfach Fragen nach den Adressaten der Solidarität gestellt. Für Moshe Zuckermann, aber auch für Aida Touma Souliman und Sabah Alnasseri ist das nicht der Kern der Debatte. Eher sei diese Unsicherheit eine Folge der typisch deutschen Abstraktion von Weltverhältnissen, die nicht auseinanderhalten kann, was Antisemitismus und was Kritik am israelischen Staat ist.

Der Kongress endete mit einem Aufruf sich an der Großdemonstration in Berlin oder an entsprechenden lokalen Aktionen anlässlich des bevorstehenden Staatsbesuchs des US-amerikanischen Präsidenten am 21. Mai zu beteiligen. Dabei wurde von lateinamerikanischen Gruppen darauf verwiesen, dass offenbar auch ein kriegerischer Angriff auf Cuba vorbereitet werde, gestützt auf die Beschuldigung, Cuba würde an der Produktion und Verbreitung von biologischen Waffen beteiligt sein.

Weitere Infos unter www.buko.info

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