Kommentar

Kreuzbrave Kriegsgegner

Deutsche Normalität im Jahre 12 nach der "Wiedervereinigung": Noch kann man nicht alleine, so wie man gerne möchte, also kommt ein rauhbeiniger Texaner, der Außenpolitik vor allem als Militärpolitik versteht, gerade richtig, um die eigene innere wie äußere Kriegsfähigkeit zu steigern. Entsprechend gehört der transatlantische Schulterschluss zur Staatsräson, auch wenn sich das FAZ-Feuilleton schon mal ein wenig in Antiamerikanismus üben darf, um die Eliten auf künftige Zeiten vorzubereiten und an die eigenen Ambitionen sowie den eigentlichen Zwecke der "bedingungslosen Solidarität" zu erinnern.

Entsprechend die Reaktionen auf den Besuch des US-Präsidenten, der Ende Mai durch Europa tourte, um für Unterstützung für einen Krieg gegen den Irak zu werben: Stehende Ovationen im Bundestag. Von der CDU/CSU und der FDP war nichts anderes zu erwarten, und eigentlich von den Regierungsparteien seit dem Krieg gegen Jugoslawien auch nicht mehr. Dennoch verschafft der Anblick Grüner Parlamentarier, die ganz aus dem Häuschen sind, weil sie der Henker von Texas beehrt, jener Mann, der Todesurteile wie am Fließband unterschrieb, um damit Wahlkampf zu machen, ein besonderes Ekelgefühl. Der Verstand weiß es besser, aber dennoch...

Allein die PDS blieb sitzen und hielt auch die Hände still, zumindest mehrheitlich. Auf Anregung der Fraktionsspitze -- eine Abstimmung zum Thema hatte man vermieden -- trugen die Parlamentarier der einzigen Partei, die bisher im Bundestag gegen alle Kriegseinsätze gestimmt hat, kleine weiße Tauben als Zeichen des Protests. Dreien PDSlern war das zu wenig. Für einige Sekunden hielten die Abgeordneten Heidi Lippmann, Winfried Wolf und Ulla Jelpke ein Transparent mit der Aufschrift "Mr. Bush & Mr. Schröder: Stop your Wars!" hoch.

Beschämend allerdings die Reaktionen der PDS-Fraktionsführung. Petra Pau und Wolfgang Gehrke konnten sich gar nicht schnell genug von der Aktion der drei distanzieren und Roland Claus entblödetet sich gar, beim an die Bush-Bundestagsrede anschließenden Beisammensein mit Fraktionschefs und US-amerikanischem Gast, sich bei diesem zu entschuldigen. Mehr noch, er fühlte sich bemüßigt, eben das eiligst an die Agentur-Journalisten auszuplaudern, damit es auch ja schnell genug in alle Welt hinausgehe, was die Post-Sozialisten für eine kreuzbrave Partei sind. Nur im PDS-Vorstand, in dem Pau und andere ebenfalls eine eilige Distanzierung durchsetzen wollten, hatten einige noch nicht ganz den Verstand ausgeschaltet und wohl zumindest registriert, dass das Transparent der Störenfriede der PDS einige 1000 Stimmen für die nächsten Bundestagswahlen gebracht haben dürfte. (wop)

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