Kiel

Landeshauptflop:

New-Economy-Ruinen

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Morbider Scharm bestimmte einst die Stimmung an der Förde, bevor uns ein unsägliches Bündnis aus New-Economy-Überfliegern und halsstarrigen Autokraten Investitionsruinen und sterile Brachen bescherte

"Schnell, schnell. Bloß keine Diskussionen, um die Investoren nicht zu verschrecken", hieß es vor nicht allzu langer Zeit. Das Ergebnis kann jetzt an der Förde beobachtet werden: Am Ende der Hörn wurden Bäume gefällt und Wohnraum zerstört. In Windeseile erstand ein das Stadtbild bestimmendes Objekt, über dessen ästhetische Qualitäten sich prächtig streiten lässt. Auftraggeber Ision schaffte es immerhin noch einzuziehen, bevor er unlängst Pleite ging.

Der Self-Made-Millionär und einstige Star des Neuen Marktes, Gerhard Schmid, hat es nicht ganz so weit gebracht. Sein Klotz, der nicht nur Architekten den Magen umdreht, steht unvollendet in bester Lage. Die Baucontainer sind längst abgeholt, der Hinweis auf zu vermietende Büroflächen entfernt und die ersten Scheiben eingeworfen. Da steht sie nun, Kiels jüngste Investitionsruine, der erste Baustein zur gehypten Kai City, die so wichtig war, dass die Kieler Öffentlichkeit über diese Fläche im Herzen der Stadt möglichst nicht diskutieren sollte, da ja bekanntlich der Oberbürgermeister und windige Absahner am ehesten wissen, was für die Stadt und ihre Einwohner am besten ist.

Dass der Autokrat im Kieler Rathaus ob dieser in Beton gegossenen Arroganz und Misswirtschaft nicht vor Scham in den Boden versinkt, sondern sich gar in Holtenau ein letztes Denkmal setzen will (siehe Seite 11) spricht Bände über die traurigen Zustände in dieser Stadt, die nach einer Opposition schreien, die diesen Namen auch verdient.

Für Schmid ist unterdessen das Spiel aus, zumindest bei MobilCom. (Sein Engagement an der Hörn hat allerdings nichts mit seinem Büdelsdorfer Unternehmen zu tun.) Am 21. Juni musste er den Posten des Vorstandsvorsitzenden räumen. Der Aufsichtsrat hatte ihn nach monatelangen Querelen dazu genötigt. Der Streit geht vor allem um die Schulden in Milliardenhöhe und die Übernahme der Investitionen in die neue UMTS-Technologie, an der sich nicht nur die Büdelsdorfer, sondern die ganze europäische Branche verschluckt haben.

Der Markt honorierte Schmids Abgang übrigens: Die MobilCom-Aktie legte noch am gleichen Tag um rund 18% auf 10,83 Euro zu. Zur Zeit ihres Allzeithochs am 20. März 2000 hatte das Papier 199 Euro gekostet. Schmid hält zusammen mit seiner Ehefrau 49,9% der Anteile und kontrolliert damit sehr zum Leidwesen von France Télécom nach wie vor das Unternehmen. Die Franzosen halten selbst 28,8 % und würden Schmid gerne seine Anteile abnehmen. Der verlangt allerdings mehr als das doppelte des derzeitigen Börsenwerts und zudem in Cash, was der selbst hochverschuldeten Télécom nicht besonders behagt. So oder so wird das Nachsehen wohl ein erheblicher Teil der rund 5000 Konzernangestellten haben, über deren Kündigung seit längeren laut spekuliert wird. das Unternehmen wird wohl nur am Markt bestehen können, wenn es mit anderen zusammengeht, wie es France Télécom plant. Indes sind wir gespannt, ob Schmid, wenn er denn ausgezahlt wird, sein Geld in seine Betonschachtel am Gansel-Gedächtnis-Becken steckt. Wahrscheinlicher ist wohl, dass er Stadt und Land dafür einiges an öffentlichen Zuschüssen aus den Rippen leiert. (wop)

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