Interview

KSK in Afghanistan:

Geheimniskrämerei um Eliteeinheit

Von der Öffentlichkeit kaum beachtet beteiligen sich deutsche Soldaten nicht nur an der "Friedensmission" in Kabul, sondern sie sind auch nach wie vor — in einem gesonderten Einsatz — zusammen mit Truppen der USA und anderer NATO-Staaten in K Kämpfe verwickelt. Etliche Monate nach dem der Krieg gegen die Taliban für beendet erklärt wurde, wird noch immer Jagd auf Einheiten der einst von den USA in Pakistan aufgebauten Fundamentalisten gemacht.

Die Bundesregierung mag allerdings nicht so recht mit Informationen über den Einsatz der ca. 100 Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK), die seit einigen Jahren im süddeutschen Calw auf Rambo-Einsätze gedrillt werden, herausrücken. Als vor einiger Zeit der neue Stadthalter US-amerikanischer Interessen in Kabul (die deutschen konnten sich bei der "Wahl" mit ihrem Kandidaten nicht durchsetzen), Karsai, zu Besuch in Berlin war und sich beim Verteidigungsausschuss für den KSK-Einsatz bedankte, regierte Kriegsminister Scharping ganz betreten: So genau sollten es nicht einmal die Parlamentarier wissen.

Diese Geheimniskrämerei ist um so beklemmender, als inzwischen von verschiedenen Seiten Informationen vorliegen, nach denen mit einiger Wahrscheinlichkeit an Gefangenen Massaker verübt und andere gefoltert wurden. Am 12. Juni hatte der irische Dokumentarfilmer Jamie Doran auf Einladung der PDS Filmmaterial vorgestellt — der inzwischen fertiggestellte Film mmüsste demnächst erscheinen — die dafür zahlreiche Belege enthielten. So präsentierte er verschiedene afghanische Zeugen, die so weit zu beurteilen unabhängig von einander von einem Massaker an Gefangenen Taliban Anfang Dezember im Norden Afghanistans sprechen. Bis zu 3000 Menschen wurden demnach von afghanischen Verbündeten des Westens unter Aufsicht von US-Soldaten massakriert. Zwei Zeugen, beides afghanische Soldaten, sprechen auch davon, in einem Gefängnis nicht allzuweit vom Ort des Massakers gesehen zu haben, wie US-Amerikaner Gefangene Taliban beim Verhör gefoltert haben und zumindest einem das Genick brachen.

Das wirft die Frage auf, was die deutschen Soldaten in Afghanistan treiben. Beteiligen sie sich an solchen Verhören? Oder liefern sie "nur" die Gefangenen an die US-amerikanischen Verbündeten, die dann die Drecksarbeit übernehmen? Sowohl das eine, wie auch das andere ist übrigens nicht nur nach menschlichen Maßstäben ein Verbrechen, sondern verstieße auch gegen einschlägige deutsche Gesetze, wie auch internationale Konventionen.

Wahrscheinlich deshalb möchten einige es gar nicht so genau wissen. Zum Beispiel der Kieler SPD-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Bartels, der zu gleich Mitglied des Verteidigungsausschusses und sich selbst gerne als junger Wilder sieht, der frischen Wind nach Berlin bringt. (wop)

LinX: Offensichtlich sind die Soldaten des deutschen Kommandos Spezialkräfte (KSK) in Afghanistan in Kampfhandlungen verwickelt. Weshalb erfährt die hiesige Öffentlichkeit nichts darüber von ihrer Regierung?

Hans-Peter Bartels (H.-P.B.): Wie der Name schon sagt, handelt es sich um Spezialkräfte, die einen Kampfauftrag haben. Das hat nichts mit der Operation ISAF zu tun, die in Kabul die Sicherung übernommen hat. Es sind deutsche Kräfte in der Größenordnung von 100 durch Bundestagsbeschluss zur Verfolgung von Terroristen abgestellt. Es ist klar, dass dort auch gekämpft wird.

LinX: Und weshalb erfährt die Öffentlichkeit so wenig über diesen Einsatz?

H.-P.B.: Weil die Information über einzelne Operationen, wenn sie zeitnah erfolgen sollte, deren Erfolg gefährden könnte. Nach Abschluss des Einsatzes wird man die Öffentlichkeit auch über Einzelheiten informieren können. Wenn notwendig, werden im Verteidigungsausschuss die Sprecher der Fraktionen unterrichtet. Aber es gibt auch Geheimhaltungsbedürfnisse, die es nicht möglich machen, über laufende Operationen aus dem Einsatzgebiet zu berichten. Das würde ja unsere Soldaten gefährden. Dafür hat die Öffentlichkeit Verständnis.

LinX: Ist das Parlament ausreichend über den KSK-Einsatz in Afghanistan informiert?

H.-P.B.: Ich habe den Eindruck, dass uns das, was wir wissen müssen, gesagt wird. Ansonsten besteht immer die Möglichkeit, nachzufragen, wenn es Probleme gibt. Allerdings sehe ich derzeit bei den deutschen Antiterrorkräften in Afghanistan keine Probleme.

LinX: Machen die KSKler bei ihren Einsätzen Gefangene?

H.-P.B.: Ich gehe davon aus, dass keine Gefangenen gemacht werden, die dann nach Deutschland gebracht werden müssten. Unsere Soldaten sind Bestandteil einer multinationalen Truppe. Wenn es Gefangene gäbe, würden die sicher zunächst von den Amerikanern verhört und dann interniert werden.

LinX: Macht das KSK Gefangene oder nicht?

H.-P.B.: Siehe oben.

LinX: Dürfen deutsche Soldaten Gefangene an Staaten übergeben, in denen ihnen Folter und Todesstrafe drohen?

H.-P.B.: Die Frage unterstellt, dass das in den USA der Fall wäre. Das ist aber nicht so.

LinX: Sie sind sicher, dass den Gefangenen in den USA keine Folter und keine Todesstrafe droht?

H.-P.B.: Welche Folter droht ihnen?

LinX: Was halten Sie von Aussagen afghanischer Zeugen, die gesehen haben wollen, wie US-Personal Anfang Dezember im Gefängnis Shebergan Gefangenen das Genick gebrochen und Gliedmaße abgehackt haben?

H.-P.B.: Nichts. Mir liegen solche Informationen nicht vor. Wo haben Sie das her?

LinX: Das ist aus einem Dokumentarfilm, den der irische Journalist Jamie Doran am 12. Juni im Bundestagsgebäude vorgestellt hat.

H.-P.B.: Das muss ja ein fabelhafter Film sein. Ich kenne ihn nicht.

(Das Interview erschien zuerst in der jungen Welt vom 8. Juli.)

Anmerkung der Redaktion: Nach Angaben der PDS-Abgeordneten Heidi Lippmann, die ebenfalls Mitglied des Verteidigungsauschusses ist, waren die Vorwürfe Dorans wenige Tage bevor das Interview geführt wurde, von der PDS im Ausschuss angesprochen worden. Das Verteidigungsministerium hatte, so Lippmann, jede Auskunft verweigert.

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