Lokales

Timmerberg:

Wem gehört die Welt?

Seit beinahe zwei Jahrzehnten wohnen am Timmerberg auf selbstgewählte Weise Leute in Zirkus- und Bauwägen, mit guter Anbindung an die Nachbarschaft. Die bis März 2002 genutzte Wiese ist städtisches Eigentum; wegen früherer Schlackeablagerung eine kontaminierte Fläche. In den letzten vier Jahren bestand ein Nutzungsvertrag mit der Stadt Kiel und der Wagengemeinschaft Gerania, durch den über 20.000 Euro in die Stadtkasse flossen. Wir konnten die Legalisierung dieser Wohnform durch die Aufnahme in den Bebauungsplan nicht durchsetzten. Nachdem vorgesehen ist, auf der langjährig genutzten Fläche einen Sportplatz zu bauen und Vertreter der Stadt Kiel nicht bereit waren, uns eine brauchbare Alternativfläche anzubieten, sahen wir uns gezwungen (Räumungsaufforderung vom Januar) selber zu handeln:

Wir bezogen ein Teilstück des zu Jahreswechsel frei gewordenen, ehemals von der Kiba genutzten Geländes am Timmerberg. Dass diesem Akt eine lange, zähe und zermürbende Phase von Vertragsverhandlungen um selbiges Gelände vorausgingen, soll nicht unerwähnt bleiben.

Im Mai dieses Jahres wurden wir mit einer gerichtlichen Räumungsklage konfrontiert: wegen der Besetzung des nun von uns genutzten Grundstücks. Mitte August wird wahrscheinlich vor Gericht verhandelt, mit wenig Aussicht auf Erfolg unserer Seite.

Es ist wichtig klarzumachen, dass es hier in dieser Stadt und in diesem Land noch andere Vorstellungen von leben und wohnen gibt, jenseits vom Konsens der Verwertbarkeit und Vermarktung des Lebens (Wohnens) und denen deshalb der Raum ständig streitig gemacht und beschnitten wird.

Wir streiten für das Grundrecht des Wohnens, jenseits der Logik des Marktes und des Kapitals. Wir stehen für das Recht des Lebens im Grünen auch ohne dicke Brieftasche. Wir sind ein Teil der Welt, auch uns gehört die Welt. Für eine freie und selbstbestimmte Wahl der Wohnart und des Wohnortes.

Unsere Wohnform ermöglicht Kontakt mit Natur und bietet Raum für Kultur. Als wir in "Ruhe" leben konnten, gehörten Feste mit der Nachbarschaft und öffentliche open-air Kinoabende zu unserem Jahresprogramm. Wir sind Wohnkultur, wir sind eine Bereicherung für die Stadtteilkultur und unsere Existenz ein Gradmesser für Toleranz.

Die Neugestaltung des Germania-Yacht-Hafens zeigt, dass die Stadtplanung nicht gerade vor Phantasie strotzt. Kiel hat genug Beton und ist nicht gerade reich an grünen Oasen, bewohnbare Grünflächen sind rar. Der Timmerberg stellt von daher ein notwendiges Gegengewicht zur Verbauung der Stadt dar. Grünflächen mit dem Schild: "Betreten Verboten" entfernen den Menschen vom Begreifen der Wichtigkeit der Natur.

Der Stadt liegt ein Stehgreif-Konzept vor, erstellt von Vereinen ( EygenArt, NaturErleben und der Wagengemeinschaft Gerania). Darin wird für das von uns bewohnte Gelände eine Nutzung vorgeschlagen, die über eine reine Wohnnutzung hinausgeht. Ein Naturerlebnisraum. Obwohl dies die Stadt keinen Cent kosten würde und für den Stadtteil ein Gewinn wäre, kam seitens der Stadtverwaltung nur eine kategorische Ablehnung.

Wir wehren uns gegen eine Kriminalisierung unseres Daseins. Wir nehmen niemanden etwas weg und sind an gemeinsam getragenen Lösungen interessiert, wir haben es satt uns immer wieder gegen unsere Illegalisierung zu wehren. Teile der Stadtverwaltung tragen durch ihre restriktives Handeln uns gegenüber maßgebliche Verantwortung für unsere jetzige Situation.

Eine Räumung nützt niemanden. wir sind da – auch nach einer Räumung.

(Wagengemeinschaft Gerania)

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