Kommentar

Krisenfragen

Es kracht und knirscht mal wieder im Gebälk der Weltwirtschaft. In den USA scheint der äußerst ungewöhnlich lange Boom der 90er Jahre nun endgültig vorbei, an der Wall Street sind die Aktienkurse in den Sturzflug übergegangen und sind im Begriff den weltgrößten Binnenmarkt aus seinem Konsumrausch zu reißen. Die Folgen werden schon bald rund um den Globus zu spüren sein, und zwar vor allem in jenen Ländern, deren Wirtschaft so voll und ganz auf den Export orientiert ist. Deutschland z.B., das Jahr für Jahr einen Handelsbilanzüberschuss einfährt, der seinesgleichen sucht. Der hiesigen Wirtschaft werden nicht nur die Absatzmärkte jenseits des Atlantiks wegbrechen - der schwache Dollar wird das seine dazu beitragen - sie wird auch schwer dran zu schlucken haben, dass Ost- und Südostasien weniger in den USA absetzen wird und deshalb auch nicht mehr, wie bisher, Jahr um Jahr mehr hierzulande einkauft.

Nun könnte einem - naiv betrachtet - das Schicksal der hiesigen Kapitalisten ja ziemlich schnuppe sein. Nur: Schon jetzt ist so klar wie das Amen in der Kirche, dass wir die Suppe werden auszulöffeln haben. Das ist bisher noch in jeder Krise so gewesen, und die jetzige verspricht eine von der besonders schweren Sorte zu werden. Wir heißt in diesem Falle nicht nur die Lohnabhängigen, die vielleicht ihren Job verlieren, sondern auch die Arbeitslosen, denen es ans Leder gehen soll, die Studenten und Schüler, für deren Bildung immer weniger Geld ausgegeben wird, die Sozialhilfeempfänger, die weiter ins Elend gestoßen werden. In der Bundeshauptstadt leben rund ein Viertel der Kinder und Jugendlichen schon jetzt in Armut, hieß es in einem jüngst veröffentlichen Bericht des dortigen Senats. Und das wohl gemerkt in Zeiten, in denen das Bruttosozialprodukt, das heißt der gesellschaftliche Reichtum, beständig von Jahr zu Jahr gewachsen ist.

Derweil mischen sich in die Paniknachrichten von den Börsen Meldungen eines dramatischen Rückgangs der Steuereinnahmen. Interessant die Reaktionen der Politiker aller Parteien: Die Steuern dürften auf keinen Fall erhöht werden, jedenfalls nicht die der Kapitalisten.

Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, was das für eine Stadt wie Kiel, in der es bereits jetzt allen Ecken und Enden fehlt und das Tafelsilber bereits zum größeren Teil verkauft ist, heißen wird. Aber natürlich ist das Geld da, man muss es sich "nur" holen. Die Frage ist bloß: Wie? Höchste Zeit, sich darüber ein paar ernsthafte Gedanken zu machen! (wop)

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