Kommentar

Sahne auf dem Pharisäer

Ob die "verzwick(el)te" Ver- bzw. Entsorgung von Managern bei Vodafone/Mannesmann, die "verleder(er)te" Insolvenz von Babcock, die "verhunz(inger)ten" Verkupplungen zwischen Managern und Politikern, die "Bonusfliegereien" oder die "spitzensportlichen" Steuerhinterziehungen: Alles Dinge, die zumindest ansatzweise länger bekannt sind, vorhersehbar waren oder vorausgesetzt werden konnten. Besonders erstaunt und aufgeregt werden sich viele der kleineren Steuerhinterzieher - jene z. B., die ihre täglichen "Fahrgemeinschafts-Kilometer" als allein gefahren steuerlich geltend machen - Versicherungsbetrüger, Sozialleistungsabstauber oder Schwarzarbeiter geben. Oder die "Privatwirtschaftler", die - je nach Profession und vorhandenen Betriebsmitteln - in der Arbeitszeit exzessiv "eigenwirtschaftlich" telefonieren, kopieren, einkaufen, Material entnehmen, werkeln und sich damit (steuerrelevante!) geldwerte Vorteile verschaffen. Besonders empört über "die da oben" sind mit Sicherheit jene Bürger, denen es zusätzlich noch gelingt, sich in der Arbeitszeit ausgiebigst mit der Bild-Zeitung zu bilden.

Der Ex-Mannesmann-Boss, Esser, kassierte über 30 Millionen Euro Abfindung, der bei Babcock erfolglose heutige HDW-Boss, Lederer, bezieht angeblich weiterhin über eine Million Euro im Jahr, Scharping lässt sich en passant für 25.000 Euro einkleiden, Bundespolitiker verdüsen Dienst-Bonusse für Privatflüge und Becker verhandelt mit dem Fiskus über eine (haft- und bankrottverschonende) tatsächliche Verständigung. Keine Frage, das sind Summen und Behandlungen, die dem Normalbürger nicht zuteil werden. Besonders wenn ihm durch Entlassung der betrieblich-dienstliche Boden entzogen und zunehmend der Weg zu den Sozialleistungen erschwert oder verwehrt wird, kommt mehr als Neid und Unmut auf.

Der bürgerliche "Enthüllungsjournalismus" wendet die allgemeine Unsicherheit und Unzufriedenheit meist reaktionär. Die Folgen der Funktionsweisen des kapitalistischen Systems werden als das alleinige böse Werk einzelner (unmoralischer) Menschen oder Gruppen "enthüllt". Den Nazi-Faschisten gelang es gar, für die negativen Folgen des Kapitalismus einer religiösen Gemeinschaft die Schuld zuzuschieben. Differenzierungen zwischen "bösen" und "guten" Kapitalisten sowie Politikern sowie "herzerwärmende" Verschwörungstheorien haben heute wieder Hochkonjunktur. Dagegen kommt "eiskalt-enthüllende" Kapitalismuskritik nur schwer an.

Wie die Sahne auf dem Pharisäer, überdecken die medialen Schaumschlägereien im Sommerloch das, was an vorderster Stelle zur (Bundestags-)Wahl gestellt wird: Weiterer Abbau von Rechten und Leistungen im sozialen Bereich. An diesem Punkt ist die Bourgeoisie mit der Bundesregierung sehr unzufrieden. Bei dieser Aufgabenstellung macht es sich für die Volksseele doch gut, dass die finanzielle Situation einzelner Manager, Politiker und Sportler in der Kritik steht! (W. Jard)

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