Werften

MAYDAY:

Notrufmissbrauch an der Küste

Lindenau-Werft: Keine Konkurrenten in Asien
Lindenau-Werft: Keine Konkurrenten in Asien

Den Beschluss des Industrie-Ministerrats der EU vom 6. Juni bezeichnete die IG Metall Küste als "Erfolg für die Arbeitsgemeinschaft Schiffbau". Beschlossen wurden weitere Verhandlungen der EU-Kommission mit Südkorea bis zum 30. September. Wenn keine Ergebnisse vorliegen soll eine Klage vor der Welthandelsorganisation WTO eingereicht werden. Ab dem 1. Oktober erlaubt die EU dann neue "Schutzbeihilfen" für bestimmte Schiffstypen wie Container, Chemikalien- und Gastanker – mit einem maximalen Förderatz von 6 Prozent – bis 31. März 2004 in Kraft. Der Bundesregierung und dem nationalen Maritimen Koordinator, Axel Gerlach, hält die IGM Küste zugute "mit viel diplomatischem Geschick und Nachdruck für eine solche Lösung gekämpft" zu haben. Im Duett mit den Managern der Werftindustrie wirft die IG Metall den koreanischen Konkurrenten "illegale Methoden" vor und ficht auf europäischer Ebene seit 1999 tonangebend für "faire Marktverhältnisse". "Die IG Metall kämpft für die Zukunft der Maitimen Wirtschaft", indem sie auf der Ebene des Europäischen Metallarbeiter Gewerkschaftsbundes EMB die Gewerkschaften, der Ländern mit noch nennenswertem nichtmilitärischen Schiffbau, zum Kampf gegen vornehmlich Südkorea und für Subventionen zusammenschließt. Ein von der IG Metall angestrebter Schulterschluss der maritimen Industrie gestaltet sich, aufgrund der unterschiedlichen Interessen- und Konkurrenzlagen der Betriebe, schwierig.

In der EU ist Deutschland die führende Schiffbaunation, Schleswig-Holstein mit 6000 direkten Werftbeschäftigten eine schiffbauliche EU-Kernregion. Seit der Jahrtausendwende sind kaum nichtmilitärische Aufträge auf deutschen und europäischen Werften placiert worden. Selbst die – nur in Europa konkurrierende – vielgelobte Meyer-Werft im niedersächsischen Papenburg musste nach dem 11. September ihr Kreuzfahrer-Bauprogramm strecken. Die Flensburger Schiffbaugesellschaft hat, neben der Lindenau Werft in Kiel-Friedrichsort, noch mit die komfortabelste Auftrags- und Ertragslage an der Küste. Beide stehen mit ihren Schiffstypen nicht in direkter Konkurrenz zu südkoreanischen Werften: Erstere sieht mehr andere europäische und die aufstrebenden chinesischen Werften als Konkurrenten, letztere hat mit den Doppelhüllentankern nur einen ernsthaften in Spanien.

Überkapazitäten auf den Meeren, sinkende Frachtraten und auf den Markt drängende Werftkapazitäten – wie aktuell die Chinas – sind wesentliche Gründe für den schwachen Auftragseingang. In Schleswig-Holstein haben die Flender Werft in Lübeck und HDW Entlassungen angekündigt. Die Lübecker Werft lässt dickwandige Rümpfe für Hightech-Mordswerkzeug made by HDW Karlskrona Containerschiffe von einer vom koreanischen Daewoo-Konzern geführten Werft in Rumänien bauen. Bei 75 Euro Monatslohn eines rumänischen Schiffbauers werden die längere Bauzeit und andere Unwägbarkeiten akzeptiert. Bei HDW wird, mehr aus politischen Gründen, um ein wenig Handelsschiffbau gerungen und seit Monaten wiederholt ein avisierter Auftrag über ein kleines Kreuzfahrtschiff kolportiert. Seit Wochen ist von anstehenden bis zu 250 Entlassungen aus dem Überwasser-Produktionsbereich die Rede. Insbesondere den nicht stark im Militärschiffbau engagierten Werften fehlen Anschlussaufträge. Bei den monatelangen konstruktiven Vorlaufzeiten für Schiffe laufen mehrere Werften hinsichtlich der Auslastung langsam auf Grund. In so einer Konkurrenz-Situation wird wieder nach Subventionen gerufen. Der Ruf nach staatlicher Intervention ist nicht nur unter bürgerlichen Kräften umstritten. In Polen wurde kürzlich die Re-Verstaatlichung großer Werften beschlossen. Im letzten Jahrzehnt errang Polen hohe Marktanteile am Weltschiffbau und galt als Musterbeispiel für erfolgreiche Privatisierung.

Was in diesen Zusammenhängen kürzlich von Seiten der Hamburger Bezirksleitung der IG Metall Küste im Frühsommer praktiziert wurde, ist unbestritten ein Zeichen von Hilflosigkeit: Die Ausnutzung einer internationaler Solidaritätskampagne für den Konkurrenzkampf. Nur die anerkannt antifaschistische und streckenweise anti-neoliberale Haltung der IG Metall und insbesondere einiger Gliederungen und vieler Funktionäre dieser Organisation, gebietet es, hier nicht von politischer Verkommenheit zu sprechen. Im Mai hatte die IG Metall zusammen mit Amnesty International in Nürnberg die Aktion "MAYDAY" (www.mayday.igmetall.de) gestartet. Den internationalen Notruf im Funksprechverkehr als Hilferuf für verfolgte, inhaftierte und von der Todesstrafe bedrohte Gewerkschafter in der Welt zu benutzen ist eine gute Aktion. Dem schloss sich auch der – unter dem Vorsitz von Klaus Zwickel (IGM) stehende – Internationale Metallarbeitergewerkschaftsbund IMB an: Im Rahmen der Fußball-WM wurden am 27. Juni auf allen Kontinenten in über 50 Städten Proteste vor südkoreanischen Botschaften abgehalten. Die IG Metall Küste wies in dem Flugblatt "metallnachrichten" – "für die Beschäftigten in der maritimen Industrie" neben dem oben beschriebenen "Erfolg für die Arbeitsgemeinschaft Schiffbau" auch auf den " ... Verdrängungswettbewerb auf Kosten der Rechte der Beschäftigten in Südkorea ... " hin und auf den Aktionstag des IMB vor der koreanischen Botschaft in Berlin. Kein Wort oder Hinweis zur gesamten MAYDAY Aktion. (In der – wenig gelesenen - Juli/August Ausgabe des Monatsmagazins Metall wurde umfassend berichtet). Auf Nachfrage unter Kieler Metallern kann von keinen organisierten MAYDAY Aktionen der regionalen IGM berichtet werden. Eigeninitiativen aus den Betrieben wurde ebenfalls nicht bemerkt. Vermerkt wurde dafür eine andere organisierte Aktion der IGM-Küste: In Berlin endete am Tage vor dem Aktionstag ein Schiffbau-Treffen des Europäischen Metallarbeiterbundes EMB. Ob dort weiter "Dumpfes gegen Dumping" gegen die unter dem Vorwurf des "unfair pricing" stehenden koreanischen Werften beschlossen wurde? Zumindest steht zu vermuten, dass die vor der koreanischen Botschaft gesichteten Werftarbeiter aus Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, Teilnehmer der Tagung waren und zwecks "solidarischer Teilnahme" an der Kundgebung es touristisch länger in der Hauptstadt ausgehalten haben.


Schulterschluss: Metaller mit Manager gegen Landesregierung

Von den Kieler Werften HDW und Lindenau hat – nach der EMB Tagung – angeblich keiner an der Kundgebung teilgenommen. Ob in Erkenntnis des schändlichen Notrufmissbrauchs aus Hamburg oder aus anderen Gründen, war nicht zu erfahren. Die Kritik der Arbeitsbeziehungen in Korea für den Konkurrenzkampf auszunutzen ist unsolidarisch. Und angesichts der eigenen Praxis der IG Metall verlogen: Die vielfältigen Zugeständnisse u.a. durch Abweichungen von den Tarifverträgen in vielen (Werft-) Betrieben sind ebenfalls ein Beitrag zum "unfair pricing" im Konkurrenzkampf. Die IG Metall duldet ebenfalls Zustände wie auf der Lindenau-Werft in Kiel oder Peters Werft in Wewelsfleth, wo zeitweise bis zur Hälfte der dort Tätigen vor allem aus Schiffbauern und Schweißern kroatischen Werksvertragfirmen bestehen. Das Tarife und Gesetze hier – und auf anderen Werften und Baustellen in Deutschland – unter dem üblichen bundesdeutschen Standard "ausgelegt" werden, lässt sich für Außenstehende nicht nur aus der oft regelmäßig sicht- und hörbaren Samstags- und Sonntagsarbeit bei der Lindenau Werft errechnen. Mit den Sozialbeziehungen steht es gegenüber vielen Gruppen unter den in Deutschland arbeitenden Menschen nicht zum Besten. Die positiven Auswirkungen der hieraus resultierenden Kostenvorteile auf den "fairen Wettbewerb" für deutsche Unternehmen wird von Betriebsräten und Gewerkschaften akzeptiert. Das Verhalten der IG Metall im Falle der politischen Verfolgung von Gewerkschaftern bei der Flensburger Firma Danfoss spricht hinsichtlich der Sozialbeziehungen in deutschen Landen Bände: Der "Mayday" Ruf der dort verfolgten und gekündigten IG Metall-Funktionäre verhalte auf den Fluren der Gerichte. Etwas mehr vor der eigenen Tür zu kehren wäre recht hilfreich für die Solidarität im eigenen Lande und in der Welt! "Wenn’s um Arbeitsplätze geht, lege ich mich mit den Kapitalisten ins Bett," erklärte jüngst ein – einem Teil der linken Leserschaft bekanntes, vormals für den realen Sozialismus sehr aktives – Betriebsratsmitglied einer Werft. Die erzeugten Folgen derartiger politischer Kopulationsakrobatik sind historisch bekannt und aktuell verstärkt erfahrbar. (W. Jard)

(Weitere Informationen aus dem LinX-Archiv über die Suchmaschine der LinX: Schiffbau, Werften, EU, Korea, Rüstung, HDW, Danfoss, IG Metall, Betriebsräte etc.)

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