Kernspalte

Alte, schon abgeschnittene Zöpfe sollen wieder drangeklebt werden: Kernkraft ist Klimaschutz. Diesen nachhaltigen Unfug hat die EU-Kommission in einem Communiqué zum Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg neu aufgelegt, und zwar als Entwicklungshilfe für unterentwickelte Länder in Sachen Umweltschutz. Umweltverbände wie Friends of the Earth kommentierten aufgebracht "absolutely unacceptable". Auf dem Gipfel selbst ist allerdings wegen der Abwesenheit der USA mit Kritik etwa wegen der Proliferation von atomwaffenfähigem Material und Technik nicht zu rechnen. Parallel dazu haben die Unionsparteien die Flutkatastrophe an Elbe, Mulde und Donau zum Anlass genommen, sich durch niemandem in ihrem Engagement für die Umwelt übertreffen zu lassen, was ja mit dem Neubau von Atomkraftwerken identisch sei - nach ihrem Wahlsieg. Leider teilen ihre Auftraggeber vom Großkapital diese Auffassung nicht, und auch Frau Merkel (aus welchen Gründen auch immer) hat abgewunken. Sprecher von RWE und Vattenfall bekräftigten, dass sie lieber am sog. "Atomkonsens" festhalten würden, wobei Vattenfall-Sprecher Johannes Altmeppen sogar soweit ging, zuzugeben, dass das Klimaproblem mit Kernkraftwerken nicht zu lösen sei. Wenn Stoiber weiterhin versuchen sollte, sich kapitalistischer als die Kapitalisten zu geben, kann es dafür nur einen Grund geben: F.J.Strauss' alten Traum von der Atommacht Bayern.

Die Grünen dagegen wollen "bei einer erneuten Regierungsbeteiligung" ernst machen: Ab 2003, also irgendwann, wollen sie abschalten lassen, genau wie in den vergangenen Jahren. Stade, das ja vom Betreiber 2003 aus wirtschaftlichen Gründen stillgelegt wird, haben sie da natürlich gleich mit eingerechnet. Stade steht aber auch jetzt schon still, nachdem am 11. August ein Kabelbrand wesentliche Sicherheitseinrichtungen außer Funktion gesetzt hatte. Das Umweltministerium hat einen Bericht angefordert. Abgeschaltet wurde auch der zweite Reaktor im tschechischen Temelin, aus ähnlichem Grund, nämlich Kurzschluss in den Turbinen. Der Fehler trat nicht zum ersten Mal auf. Auch der erste Block hatte eine Panne, wurde aber nach Abdichtung eines Lecks wieder hochgefahren. Ebenfalls hochgefahren wurde nach der Revision, BE-Wechsel und der Abarbeitung einer neuen Sicherheitscheckliste Philippsburg 2. Wegen der fortgesetzten Sicherheitsmängel in diesem AKW verlangte die badenwürttembergische SPD, den TÜV als Gutachter abzulösen, da er "vollständig versagt" habe. Aber auch die Atomaufsicht im Umweltministerium von CDU-Minister Müller lebe in "organisierter Verantwortungslosigkeit". Eine hübsche Formulierung, da sie ein gerüttelt Maß an Absicht und Steuerung impliziert. Aber bisher folgenlos.

Erneut gab es Proteste gegen Atomtransporte. Während ein von Greenpeace als "illegal" bezeichneter Transport mit 60 kg bombenfähigem Plutonium aus Hanau nach La Hague in letzter Minute wegen angeblicher technischer Probleme abgesagt wurde, konnte ein Brennelementetransport von Brokdorf und Stade seine Fahrt ohne Verzögerung nach Frankreich fortsetzen.

Dem Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar dämmert es: Die sog. "Interimslager" an den AKW-Standorten sind auf rechtlichem Wege nicht zu stoppen. Um kein Geld zu verschwenden, zog der Verband seine Klage gegen das Lager in Neckarwestheim zurück. Der Widerstand soll aber fortgesetzt werden. In Salzgitter ist man noch nicht so weit. Hier gingen die ersten 8 Klagen gegen die Genehmigung des Endlagers Schacht Konrad ein.

(BG)

LinX-Startseite Inhaltsverzeichnis