Kommentar

Nasse Füße im Treibhaus?

Dieser Sommer hat es in sich: Überschwemmungen in Nepal, Bangladesch, Südrussland, Mitteleuropa und China. Weit über tausend Todesopfer sind in diesem Katastrophensommer bereits zu beklagen und besonders an Chinas Yangtse besteht die Gefahr, dass vor Drucklegung dieses Heftes noch mehr in den Fluten umkommen könnten.

Nichts ist naheliegender, als nach den Ursachen zu fragen. Zwei werden in den Medien ausgiebig diskutiert: Flußausbau und Verbauung von Auen, die von der Natur als Überschwemmungsraum vorgesehen sind, sowie Treibhauseffekt und Klimawandel. Beide Gründe liegen auf der Hand, im letzteren Fall, um den es im Folgenden ausschließlich gehen soll, liegen die Dinge allerdings etwas komplizierter.

Die meisten Klimaforscher sind aus gutem Grund sehr zögerlich, wenn sie gefragt werden, ob denn nun die Kette extremer Niederschlagsereignisse, die weite Teile Europas seit Juli heimsucht, der Beweis für den vom Menschen verursachten Klimawandel ist. Ihr Problem: Wetter ist nicht Klima. Ersteres ist wechselhaft und zeigt gelegentlich extreme Ausschläge, wie derzeit. Letzteres ist ein langfristig gemittelter Zustand, an dem ein einsamer Ausreißer für gewöhnlich nichts ändert.

Von einem wirklich handfesten Zusammenhang mit dem Klimawandel - der übrigens nicht strittig ist - kann man also erst sprechen, wenn sich die Ausreißer häufen. In Europa lässt sich das bisher nicht feststellen. Anders könnte es hingegen in China aussehen. Dort waren am Yangtse erst 1998 bei einer schweren Flutkatastrophe in Folge ungewöhnlich starker Niederschläge über 3000 Menschen gestorben und Werte in Höhe von 30 Milliarden US-Dollar vernichtet worden. Ein Ereignis, wie es nur alle 50 Jahre vorkommt, meinten damals die Meteorologen. Schon seinerzeit hatte man am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI) allerdings gezeigt, dass in einem wärmeren Klima auch die Wahrscheinlichkeit derartiger Ereignisse zunimmt. Und zwar, so Lennart Bengtsson, der am MPI in Hamburg mit Klimamodellen Untersuchungen über die Variabilität des Wetters anstellt, müsste man in China, wenn das globale Klima, wie erwartet, wärmer wird, künftig alle fünf Jahre mit derartigen Ereignissen rechnen. Ob aber das derzeitige Yangtse-Hochwasser in diese Kategorie fällt, werden wir erst in ein paar Wochen wissen.

Aber eigentlich ist die Frage auch relativ müßig, denn wir haben schon seit langem ausreichende Gewißheit über den Klimawandel und seine Ursachen, die zumeist auf das Konto der modernen Industriegesellschaft gehen. Seit über zehn Jahren fordert der IPCC, jener zwischenstaatliche Ausschuss für Fragen des Klimawandels, in dem im Auftrag der UNO und der Weltmeteorologieorganisation WMO mehrere hundert der führenden Klimaforscher aus aller Welt zusammensitzen, dass die Industriestaaten in den kommenden Jahrzehnten die Emission von Treibhausgasen um 80 Prozent verringern (gemessen am Niveau von 1990). Als wichtigster Übeltäter gilt das Kohlendioxid, das bei der Verbrennung von Holz, Kohle und Erdöl entsteht. Dabei wäre die Verbrennung von Holz kein Problem, solange die gleiche Menge wieder aufgeforstet werden würde, da Bäume und andere Pflanzen das Treibhausgas während ihres Wachstums der Atmosphäre entziehen. Verbrennt man jedoch die so genannten fossilen Energieträger Kohle, Erdöl und Erdgas, dann reichert sich ein Teil des freigesetzten Kohlendioxids in der Atmosphäre an und entfaltet dort seine wärmedämmende Eigenschaft, die die Temperatur der bodennahen Luftschicht im letzten Jahrhundert bereits im globalen und jahreszeitlichen Mittel um rund 0,6 Grad hat steigen lassen.

Ob nun Beweis für den Klimawandel oder nicht: Die jüngsten Wetterkatastrophen geben uns zumindest einen (sehr schwachen) Eindruck davon, was uns in einer wärmeren Welt droht. Die menschliche Zivilisation ist wesentlich empfindlicher, als sich das der gemeine Großstadtmensch, der sich - wenn’s gerade nicht anders passt — mit Äpfeln aus Neuseeland, Steaks aus Argentinien und Tomaten von den Kanarischen Inseln ernährt, im Allgemeinen vorstellt. Grund genug also, dass sich die Linke endlich des Themas annimmt und Zeit, sich mal wieder ein paar Gedanken über die stoffliche Seite der Produktion zu machen, die eben nicht, wie man in der Arbeiterbewegung lange Zeit gemeint hat, eins zu eins von einer sozialistischen Gesellschaft übernommen werden kann. (wop)

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