Am 11. September ist es ein Jahr her, dass zwei Verkehrsmaschinen in die Zwillingstürme des New Yorker Worldtrade Centers gelenkt wurden und mehrere Tausend Menschen in den Tod rissen. Für viele von uns war es ein tiefer Schock. Auf einmal war der Schrecken, der diese Welt beherrscht, vor unser Haustür statt in fernen Ländern, mit denen die meisten gefühlsmäßig nichts verbindet.
Die Regierungen, ob in Washington, London oder Berlin, wussten die Lage allerdings schnell für sich auszunutzen. Nichts sei nach diesem Tag wie vorher, verkündeten sie, und doch blieb alles beim alten: Reich blieb Reich und wurde noch ein bisschen reicher, Arm blieb Arm und bekam mancherorts noch ein paar Bomben dazu. Bomben, die die "zivilisierte Welt" schickte, auf der vermeintlichen Jagd nach den Tätern. Schon Stunden nach den Anschlägen waren die selben Geheimdienste, die vorher von nichts gewusst haben wollen, sich ganz sicher, dass es Osama bin Laden und sein angebliches oder tatsächliches Netzwerk AL Kaida gewesen sein soll. Einige Tausend afghanische Zivilisten mussten diese "Terroristen-Jagd", die man mit Raketen und Streubomben betrieb, mit ihrem Leben bezahlen, doch bin Laden, um den doch angeblich alles ging, wurde nicht gefangen. Überhaupt ist es um ihn in den letzten Monaten sehr still geworden.
Für die Mächtigen kann sich die Bilanz sehen lassen: Schily konnte sein umfangreiches Repressionspaket aus der Schublade ziehen und durchsetzen, Einwanderer, zumal wenn sie aus der arabischen Welt stammen, wurden zum Freiwild erklärt (in den USA sitzen mehrere hundert ohne Verfahren und Anklage seit fast einem Jahr in Haft), Washington legte ein viele Milliarden US-Dollar schweres Rüstungsprogramm auf, und die EU-Regierungen nutzten die Gelegenheit für einen ordentlichen Schritt nach vorn, um einen gemeinsamen Unterdrückungsapparat zu schaffen. Berlin schließlich konnte seine Elitetruppe Kommando Spezialkräfte (KSK) erstmals in einen Kampfeinsatz schicken. Die ballern übrigens noch immer in Afghanistan herum, während die Regierung jede Auskunft gegenüber Öffentlichkeit und Parlament verweigert: Deutschland ist im Krieg, aber keiner redet darüber.
Unterdessen wird der nächste Krieg, diesmal gegen den Irak, vorbereitet. Die Bundesregierung will sich nicht beteiligen, aber wir sollten uns darauf nicht verlassen. Eine breite Mobilisierung gegen den Irak-Krieg als auch gegen den Ausbau der EU-Militärmacht, die höchst wahrscheinlich im Schatten des jüngsten Streits mit den USA vorangetrieben werden wird, ist dringend nötig. (wop)