Flucht & Asyl

Diskussion über Migrationspolitik im Rathaus:

Mehr Rechte!

Unerwartet voll wurde der Ratssaal im Rathaus am 10. September. Angekündigt war eine Veranstaltung "Parteien zur Wahl", ein Podium mit zwölf Personen. Normalerweise kann man sicher davon ausgehen, dass viele Menschen an einem solchen Abend etwas weitaus Interessanteres finden, wenn sie denn irgendwo hin gehen wollen. Aber dann waren es wohl doch über hundert Menschen.

"Ein Mensch - eine Stimme" stand in der Einladung. Diskutiert werden sollte über die mehr als fünf Millionen Menschen in Deutschland, die arbeiten und Steuern bezahlen, Gesetze befolgen oder gegen sie verstoßen - und trotzdem nicht wählen dürfen, weil ihnen der deutsche Pass fehlt.

Parteienprogramme von SPD, CDU/CSU, FDP, Grünen, PDS und DKP wurden vorgestellt, allerdings, und das half die Veranstaltung interessant zu machen, eben nicht von den gleichfalls erschienenen PolitikerInnen dieser Parteien. Auf dem Podium saßen nämlich Migrantinnen und Migranten aus der Türkei, aus Afghanistan, aus der Russischen Föderation, aus Polen und Jugoslawien. Alle ohne deutschen Pass, aber alle hatten sich mit den Wahlprogrammen vertraut gemacht.

Referiert wurden in wohltuend knappen Übersichten die wichtigsten Vorstellungen der sechs Parteien zum Thema Migration, Ausländerrecht, Rassismus. Dabei gelang es allen sechs ReferentInnen, die wirklich wesentlichen Punkte und auch Unterschiede so vorzustellen, dass man nach der letzten Vorstellung die erste noch einigermaßen in Erinnerung hatte. Die PolitikerInnen durften die fremde Vorstellung "ihrer" Programme kurz kommentieren, hier erkannte man hier und dort schon die Mühe, sich wirklich auf einen kurzen Kommentar zu beschränken.

Die anschließende Diskussion wurde dann zu über der Hälfte von Migrantinnen und Migranten bestritten, die auch im Publikum die Mehrheit hatten. Sie waren sicherlich vom Thema, den ReferentInnen und den VeranstalterInnen weit erfolgreicher mobilisiert worden als das den VertreterInnen der Parteien normalerweise gelingt. VeranstalterInnen waren der Ausländerausschuss der IG Metall, der Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus sowie das Forum für MigrantInnen der Stadt Kiel, das demnächst in einen "Beirat" umgewandelt wird.

In der Diskussion wurden vehement Verbesserungen der Einwanderungspolitik gefordert, im Mittelpunkt standen die Forderungen nach Mitbestimmung und demokratischen Rechten, aber auch Verbesserungen im Alltag wie im Diskussionsklima.

Ach ja, die PDS, DKP und Grüne schickten ihre Direktkandidaten für Kiel, die CDU einen Politiker aus Neumünster, dessen Arbeitsschwerpunkt die Migrationspolitik ist, die SPD ihren Oberbürgermeister-Kandidaten und die FDP niemanden. (Reinhard Pohl)

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