Wirtschaft

MobilCom

Bruchlandung eines Überfliegers

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Ein Börsenstar liegt als Börsenflop auf dem Boden des realexistierenden Kapitalismus. Welche Teile von MobilCom abgewrackt und/oder weitergeschoben werden, wird erst nach der Bundestagswahl bekannt gegeben. Alle hierauf - vermeintlich oder tatsächlich - Einfluss nehmenden Akteure (Politiker, Banker, Vorstände, Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre) haben sich auf eine Veröffentlichung des Sanierungskonzepts am Freitag nach der Bundestagswahl verständigt. Zahlen über anstehende Entlassungen gehen bis zur Hälfte der über 5000 bundesweiten MobilCom-Beschäftigten. Der größte Beschäftigungsabbau droht in der UMTS-Sparte. Ein Verkauf dieser Sparte mit der UMTS-Lizenz für einen symbolischen Euro wird favorisiert. Die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau hat vier Tage vor der Bundestagswahl 50 Millionen Euro der zugesagten 400 Millionen Euro Soforthilfe bereitgestellt. Die EU-Wettbewerbskommission besteht für die erste Tranche nur auf einer nachträglichen Bewertung. Alle Hoffnungen und finanziellen Bereitstellungen beruhen ausschließlich auf Vertragsauslegungen aus dem UMTS-Deal zwischen MobilCom und France Télécom. Den haben Gerhard Schmidt und Michel Bon eingefädelt, die beide nicht mehr auf den Vorstandsstühlen in Büdelsdorf und Paris sitzen. Beide Konzerne sitzen auf Schuldenbergen und schlingern am Rande der Insolvenz.

Steilflug

Die MobilCom AG war Ende der 90-iger im Steilflug an den Börsenhimmel geschossen. Gerhard Schmid, ein Händler in Schleswig, hatte an der Schlei 1991 die MobilCom gegründet und fünf Jahre danach in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, die im März 1997 an der Börse im NEMAX notiert wurde. In der Heißluftphase im so genannten Neuen Markt, nährte der kometenhafte Aufstieg des "Handy Visionärs" mit der MobilCom Illusionen vom schnellen Reichtum und langen Aufschwung. Politiker und andere, zum lockeren Umgang mit eingetriebenem oder geliehenem Geld neigende, Menschen hängten sich nicht nur mit den Augen an Schmid und seiner MobilCom. Legenden von der schnellen Mark mitfliegender Shareholder aus den Reihen der Beschäftigten der ersten Jahre - 1997 waren es 318 - schwappten vom Nord-Ostsee-Kanal durch das Land. Wie viele Kleinaktionäre auf den Höchstständen der Aktie (Höchststand 26,90 Euro) den Absprung wagten oder schafften wurde nicht bekannt. Die Kommune Büdelsdorf öffnete die Schatulle für die Ansiedlung von MobilCom. "Boomtown" wurde der Nachbarort von Rendsburg genannt. Lichtdurchflutete Telekommunikationsbetriebe versprachen dort eine lichte Zukunft, wo früher düstere Schornsteinbetriebe wie Ahlmann/Carlshütte den Takt angaben.

Höhenflug

Auf der Spitze des Höhenflugs an der Börse beschäftigte MobilCom 2001 bundesweit 5700 Menschen, setzte 580 Millionen Euro um und produzierte mit 9 Millionen Kunden im Mobilfunk, Festnetz und Internet 90 Millionen Verlust. Vorausgegangen war der Erwerb der UMTS-Lizenzen. Für den Einstieg in das UMTS-Geschäft hatte Gerhard Schmid mit der France Télécom (FT) einen geldgebenden Partner gefunden. Zumindest floss Cash an Schmid: Im März 2000 zahlte die zu 55 Prozent staatliche FT für 28,5 Prozent der Aktien vier Milliarden Euro an den mittlerweile Groß-Dealer. Gerhard Schmid hält mit Gattin Sybille Schmid-Sindram noch 49,9 Prozent an MobilCom. Im Sommer 2000 ersteigerte MobilCom für 8,5 Milliarden Euro eine UMTS-Lizenz, finanziert mit Krediten und Bürgschaften fast nur von FT. (Insgesamt ersteigerten in Deutschland sechs Firmen für 50 Milliarden Euro in die Bundeskasse eine Lizenz: T-Mobile, Vodafone/D2, E-Plus, O2 und Quam. Letztere hat ihre UMTS-Pläne mittlerweile beerdigt.)

Sturzflug

Mit dem Streit über die Finanzierung des milliardenschweren Aufbaus des UMTS-Netzes zwischen MobilCom- Boss Schmid und FT-Boss Michel Bon wurde über einen Sinkflug am Ende der Sturzflug der Aktie und damit von MobilCom eingeleitet. Nachdem Gerhard Schmid vom Vorstandssitz geschasst worden war, pokerte dieser um einen (zu) hohen Preis von FT für das 49,9-Prozent-Aktienpaket der Schmidts. Gattin Sybille Schmid-Syndram gelang davor, als in Büdelsdorf Schmid noch an der Spitze stand, mit ihrer Firma Millenium GmbH noch ein "kleiner" Deal: mobil.com b Sie stellte MobilCom über ein Händler-Optionsprogramm Aktien zur Verfügung und kassierte hierfür 71 Millionen Euro. Das führte im nachhinein zu zusätzlicher Verstimmung zwischen den Kontrahenten und Anfang September zu einer Klage von MobilCom gegen Millenium. Der französische Partner saß mittlerweile auf einem 70 Milliarden Euro Schuldenberg und MobilCom auf sieben Milliarden Euro Schulden. Die MobilCom Aktie wurde zum Börsenflop. Insolvenzgerüchte machten, wie in der letzten Ausgabe der LinX berichtet, die Runde.

Zwei Tage vor dem Aufprall schoss Gerhard Schmid in Kiel noch verbale Blendgranaten ab. Am 11. September (!) gab Schmid sich in der Kieler Nachrichten-Redaktion in einem Plausch mit den Rathausfraktionsspitzen zum Thema "Wie geht es weiter an der Hörn?" betont optimistisch hinsichtlich der Zukunft von MobilCom: "Die Franzosen werden das Unternehmen nicht fallen lassen."

Bruchlandung

Am Freitag, den 13. September lauteten die Schlagzeilen: "Aus für MobilCom". Tags zuvor hatte der Verwaltungsrat von FT in Paris den Ausstieg vom Büdelsdorfer Mobilfunker beschlossen. Michel Bon, der den Einstieg bei MobilCom mit Schmid ausgehandelt hatte, gab seinen Rücktritt bekannt. Alain Baron, ein Vertreter der links verorteten Gewerkschaft SUD, behauptete die Minderheit der Arbeitnehmervertreter im FT-Aufsichtsrat habe gegen einen MobilCom in den Konkurs treibenden Beschluss votiert. Die MobilCom-Aktie sank auf 1,08 Euro Tiefststand, die Stimmung in Büdelsdorf und im Lande - kurz vor der Bundestagswahl - ebenfalls. Vor der in roten MobilCom-T-Shirts versammelten - Streik und Protest ungewohnten - Belegschaft, gab sich die politische (Landes-) Prominenz die Ehre. "Landesmutter" Heide Simonis bezeichnete die "New Economy" als "Capuccino-Wirtschaft". Der Bezirksleiter der IGM-Küste, Frank Teichmüller, forderte den "GAU" bei MobilCom sozialverträglich abzufangen. Die sonst verschmähte zuständige Gewerkschaft IG Metall durfte ihre Fahne entrollen. Unter den 2000 in Büdelsdorf Beschäftigten, wovon 1000 im UMTS-Sektor arbeiten, kann der Ortsbevollmächtigte der IGM-Rendsburg, Kai Petersen, die IGM-Mitglieder innerhalb einer Minute mit Handschlag begrüßen. Der jetzige MobilCom-Chef, Torsten Grenz, kündigte die Einbeziehung des Betriebsrats " bei der Erarbeitung eines Zukunftskonzeptes in allen Phasen" an. Erst kürzlich wurde in dem - nicht tarifgebundenen - Unternehmen mit viel Mühe ein halbwegs funktionsfähiger Betriebsrat installiert. Nun wird die IG Metall allseits als Sanierungshelfer begrüßt.

Abwrackhilfe

Bundes- und Landesregierung stellten 400 Millionen Euro Soforthilfe über die staatlichen Banken, davon Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) 320 Millionen Euro und Landesbank Schleswig-Holstein (LB Kiel) 80 Millionen Euro, in Aussicht. Die CDU/CSU/FDP-Oppositionsparteien in Bund und Land kritisierten den wahlkampfbedingten staatlichen Eingriff der SPD-Grünen-Regierungen. Die Staatsbürgschaften für den 400-Millionen-Kredit beruhen allein auf der Hoffnung der MobilCom, bis zu 16 Milliarden Euro von France Télécom notfalls einklagen zu können. Oder fünf Milliarden Euro im Falle einer (späteren) Insolvenz. Die Geschäftsbanken scheinen, anders als der "Genosse der Bosse", MobilCom nicht als "im Kern gesund" zu betrachten: Sie kündigten die Lastschriftaufträge für 4,8 Millionen MobilCom-Kunden.

mobil.com a

Für die UMTS-Sparte wird u.a. ein Deal á la Neue Heimat gehandelt: Die Neue Heimat ging für eine symbolische Mark an einen Bäcker (Brotfabrikanten) in Berlin. MobilCom für einen symbolischen Euro an einen bekannten Dealer an der Schlei? Bei der Schleswiger MobilCom Inkasso GmbH sollen unter den 40 Mitarbeitern "eine Hand voll" sein, die erst kürzlich aus Büdelsdorf rübermachten. Der Laden gehört zu 100 Prozent Gerhard Schmid. Für den Aufbau einer neuen unternehmerischen Zukunft hat Schmid mehr als einen symbolischen Euro auf der Naht.

Die klassische Mobilfunk-Sparte, in der drei Viertel des Umsatzes mit Verlust gemacht werden, steht vor verhaltener Kundschaft und generell schlechten Marktaussichten.

Der dritte Bereich, Festnetz/Internet, trägt das restliche Viertel des Umsatzes und wird dem Vernehmen nach von der 76-prozentigen MobilCom-Tochter freenet.de AG aufgekauft werden. Wieweit die über 50 MobilCom-Töchter ( Cellway oder freenet.de etc.) und Beteiligungen (KielNet oder 01019 Telefondienste GmbH etc.) betroffen sind oder später in den Insolvenzstrudel geraten können, wurde nicht veröffentlicht.

Schuldigensuche

Mit dem Absturz von MobilCom und anderer bis vor kurzem an den Börsen hochnotierter Unternehmen sind viele "Volksaktionäre" - die realistisch betrachtet kein Geld für Aktien über hatten und haben - mit zu Boden gegangen. Wer nicht zumindest rudimentär mit dem Marxismus beschlagen war oder als bedächtiger Zeitgenosse mit dem so genannten gesunden Menschenverstand sich waghalsigen Wetten grundsätzlich verschloss und Omas Sparprogramm folgte, konnte sich dem Aktiensog im letzten Jahrzehnt nur schwer entziehen. Jetzt sitzen die Gelackmeierten auf ihren wertlosen Aktien und nicht wenige mit noch mehr Schulden im bankeigenen Haus.

Es werden Schuldige gesucht. Dafür werden altbekannte Erklärungsmuster angeboten. Ein angeblich über den Dingen (Mechanismen im kapitalistischen System) stehendes (Finanz-)Kapital wird von der herrschenden Politik, bis zu eine bessere (gerechtere) Welt anstrebenden (links orientierten) Gruppen, gern als mehr oder wenig alleiniger Verursacher der Krise(n) ausgemacht und angeboten. Besonders gerne wird die Kritik nur auf Manager/Einzelkapitalisten oder auf ausländisches Kapital - bevorzugt transatlantisches - gelenkt. Ein verkürzter Antikapitalismus, der in Deutschland mit den Begrifflichkeiten "raffendes" und "schaffendes" Kapital großen Anhang für ein "tausendjähriges" Reich gewann. Der Nazi-Faschismus wurde bekanntlich zerschlagen - militärisch von außen. Ideologisch wird sich nach wie vor, besonders in Zeiten zunehmend schlechterer Bedingungen für die Kapitalverwertung, reaktionärer bis faschistischer Erklärungsmuster bedient. Viele Menschen sind sauer und orientierungslos - manche sicherlich verzweifelt. Mit verkürzter Kapitalismuskritik werden die Menschen böse nach rechts gelenkt. Auch bruchgelandete Leute von MobilCom. (W. Jard )

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