Antifaschismus

Rechtsextreme mobilisieren gegen "Wehrmachtsausstellung"

Für den 30. Januar 1999 planen Neofaschisten eine Demonstration in Kiel, entsprechende Hinweise haben sich in den letzten Tagen verdichtet. Äußerungen von Neofaschisten bei ihrer jüngsten Demonstration am 19.12. gegen die Ausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944" in Hannover, man wolle sich das nächste Mal im Januar in Kiel treffen, deuten darauf ebenso hin wie polizeiliche Auskünfte, daß für den 30.1. bereits eine Anmeldung der Jungen Nationaldemokraten (JN) vorliegt.

In den vergangenen zwei Jahren ist kaum ein Ort, an dem die Ausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944" gezeigt wurde, von Nazi-Demonstrationen verschont geblieben. So demonstrierten in Bonn ca. 1.000 Nazis, in Kassel 500, in Dresden 2.500 und in München am 1.3.97 über 6.000 Alt- und Neofaschisten unter Parolen wie "Wehrmacht - die beste Armee der Welt" oder "Deutsche Soldaten - Heldentaten". Insbesondere die Demonstration in München wurde von der gesamten Rechten als Durchbruch im "Kampf um die Straße" gewertet.

An den Demonstrationen der extremen Rechten haben sich in der Vergangenheit die NPD, die sog. REPUBLIKANER, regional aktive Nazi-Gruppen und die große Szene der Nazi-Skinheads sowie vereinzelt auch Burschenschafter beteiligt. Die organisatorische Struktur (Lautsprecherwagen, Ordnerdienst) hat neben der NPD insbesondere eine Gruppe um ehemalige Mitglieder der verbotenen Nationalen Liste aus Hamburg gestellt (Selbstbezeichnung: "Freie Nationalisten" bzw. "Freie Kameradschaften").

An etlichen Ausstellungsorten haben sich auch die CDU (bzw. in Bayern die CSU) oder ihr nahestehende Gruppierungen gegen die Ausstellung gewandt und damit dazu beigetragen, den Aktionen der extremen Rechten zusätzliche Legitimation zu geben. In Schleswig-Holstein sammelt die Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft Unterschriften gegen die Ausstellung, und der CDU ist keine Behauptung zu dumm, als daß sie nicht gegen die Ausstellung und das vom Landesverband der Volkshochschulen und dem Bildungswerk anders lernen e.V. / Heinrich-Böll-Stiftung koordinierte Begleitprogramm ins Feld geführt wird (LinX berichtete).

Über die zu erwartende Größe der Nazi-Demonstration in Kiel lassen sich noch keine Angaben machen; seit dem 23.12. rufen das Nationale Info-Telefon Hamburg und das Info-Telefon des Bündnis Rechts in Lübeck zur Demo auf (Beginn: 12 Uhr, Exerzierplatz). Von Bedeutung für die Größe der Nazi-Demo dürfte auch sein, welche Schlußfolgerungen die NPD aus ihrer schlecht besuchten Demo in Hannover (150 Teilnehmende) zieht, und ob es eine gemeinsame Aktion von NPD und anderen Neonazis (den sog. "Freien Nationalisten") gibt. Letztere verfügen in Schleswig-Holstein jedenfalls, u.a. aufgrund des Wahlkampfes des Bündnis Rechts für Lübeck Anfang des Jahres 1998, über vielfältige Kontakte, die die Durchführung einer - auch größeren - Nazi-Demonstration erleichtern würden.

Besondere Bedeutung könnte für die Nazis auch das Datum der Demonstration (30. Januar 1933 - Jahrestag der Machtübertragung an die Nazis) sowie die Tatsache haben, daß die Ausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944" in Kiel erstmals in einem Parlamentsgebäude gezeigt wird.

Was bedeutet der Nazi-Aufmarsch?

In der extremen Rechten verfolgen NPD und "freie Nationalisten" die Strategie, vor dem "Kampf um die Parlamente" den "Kampf um die Straße" für sich zu entscheiden. Damit ist gemeint, daß ihre Propaganda den öffentlichen Raum bestimmt, daß also demokratische, nicht-rassistische oder emanzipative Standpunkte - im Zweifelsfall mit Gewalt - an den Rand gedrängt und nicht mehr geduldet werden. Teil dieser Strategie der Durchsetzung des Meinungsmonopols sind auch Demonstrationen wie diejenigen anläßlich der Ausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944".

Die Demonstrationen der Nazis, die im Unterschied zu früher nahezu alle von Gerichten genehmigt werden, sind für die Nazi-Szene eine wichtige Möglichkeit, sich öffentlich zu organisieren und öffentlich nationalsozialistische Propaganda zu verbreiten. Die Demonstrationen werden straff - wie militärische Formationen - und diszipliniert geführt. Sie sollen Macht zum Ausdruck bringen (d.h. auch: nicht dazugehörige Menschen einschüchtern!) und ein Gemeinschaftsleben schaffen, daß die Einzelnen fest an die Nazi-Szene bindet. Aus dieser Bewertung ergeben sich auch Schlußfolgerungen für die Durchführung der antifaschistischen Gegenaktivitäten.

Was kann getan werden?

Das öffentliche Auftreten von Nazis muß verhindert werden. Es darf nicht angehen, daß sich die Vertreter des politischen Verbrechens dieser Taten auch noch rühmen dürfen (Nazi-Parole: "Deutsche Soldaten - Heldentaten"). Das Erstarken rassistischer und nationalistischer Denk- und Handlungsweisen in der Bundesrepublik und die Wahlerfolge faschistischer Parteien haben dazu geführt, daß die Aktivitäten der extremen Rechten zunehmend als "eben dazu gehörend" empfunden werden. War es für Nazis noch vor zehn Jahren nicht besonders aussichtsreich, öffentliche Demonstrationen durchführen zu können, so vergeht heute kaum ein Wochenende, an dem nicht irgendwo in der Bundesrepublik Nazis öffentlich ihre Propaganda verbreiten. Oft verhelfen ihnen zu dieser Möglichkeit Gerichte, die z.B. von den Kommunen ausgesprochene Verbote aufheben, und die Polizei, die protestierende Demokraten und AntifaschistInnen behindert.

Gegen den geplanten Nazi-Aufmarsch in Kiel besteht sofortiger Handlungsbedarf: Ein wichtiges erstes Ziel muß dabei sein, in den kommenden Wochen ein politisches Klima in der Stadt zu schaffen, aus dem deutlich hervorgeht, daß die Nazis hier keine freundliche Aufnahme finden bzw. daß ihr Tun nicht ignoriert wird. Hierzu können z.B. gehören

Mit derartigen Aktivitäten kann jede/r sofort beginnen. Darüber hinaus schlagen Kieler AntifaschistInnen vor, am 30.1. gemeinsam dem Nazi-Aufmarsch entgegenzutreten. Bündnis 90/Die Grünen haben bereits eine Gegenkundgebung angemeldet. Ziel ist dabei, daß möglichst viele Menschen auf die Straße gehen und entschlossen zum Ausdruck bringen, daß Nazi-Propaganda dort keine Chance hat.

(leicht redaktionell bearbeiteter Aufruf von AVANTI - Projekt undogmatische Linke)