Betrieb & Gewerkschaft

Dokumentiert:

1. Tarifverhandlung '99 in norddeutscher Metall- und Elektroindustrie

"Wann, wenn nicht jetzt, sollen Arbeitnehmer ihren Anteil an dem Gewinn der Metallindustrie erhalten?", fragte Frank Teichmüller, Bezirksleiter der IG Metall Bezirk Küste, bei der ersten Verhandlung der Metallindustrie im Nordverbund in Bremen. "In der Vergangenheit wurden angemessene Einkommenserhöhungen mit dem Hinweis auf "die Krise" abgelehnt. Jetzt, im Boom, wird auf die nächste Krise verwiesen, um erneut Lohnverzicht zu propagieren." Die erste Verhandlung diente i.w. der Begründung der Forderungen durch die IG Metall sowie der ersten Erwiderung von Seiten der Arbeitgeber. Der Verhandlungsführer der IG Metall Küste, Teichmüller, wies darauf hin, daß die Arbeitnehmer aus vier Gründen Anspruch auf eine kräftige Lohnerhöhung erheben:

1. Arbeitslosigkeit, Arbeitszeitverkürzung ohne entsprechenden Lohnausgleich, Streichung betrieblicher Sonderzahlungen und übertariflicher Bestandteile, Erhöhung des Leistungsdrucks und Reallohnverzicht durch Lohnzurückhaltung mußten die Arbeitnehmer in der Krise verkraften.

2. Allein die Arbeitgeber profitieren vom gestiegenen Dollar, den niedrigen Zinsen, den niedrigsten Krankenständen der Geschichte, der höchsten Auslastung ihrer Fertigungsanlagen, den Produktivitätssteigerungen aufgrund der harten Einsparungen und den sinkenden Lohnstückkosten. Die Gewinne haben sich seit ihrem Tiefstand verzehnfacht und einmalige Rekordhöhen erreicht.

3. Die Arbeitnehmer haben durch ihre Leistungen die Gewinne ermöglicht. Sie haben die Produktivität erhöht, Innovation und Qualität gesteigert. Ihre Leistung liegt dem Aufschwung zugrunde. Darum: Leistung muß sich wieder lohnen!

4. Den Arbeitnehmern fehlt Geld im Portemonnaie, auch durch Reallohnverluste. Nach einem Jahrzehnt Umverteilung zu Lasten der Arbeitnehmer haben sie Anspruch auf ihren Anteil am Erwirtschafteten und am Wirtschaftsaufschwung.

Die IG Metall hat die Erklärungen der Arbeitgeber zu einer erneuten Lohnzurückhaltung zurückgewiesen. Gerade in Norddeutschland sei selbst durch die Arbeitgeber der Beweis erbracht worden, daß Lohnzurückhaltung keine Arbeitsplätze bringe. Auch 1998 sei die Zahl der Arbeitsplätze zurückgegangen. Egal, ob große oder kleine Betriebe, es geht ihnen durchweg deutlich besser als in den vergangenen Jahren, stellte Teichmüller fest. Das ritualisierte Gejammere verfange bei den Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben nicht mehr. Statt Gewinne zu reinvestieren, um Entwicklungen und Innovation zu finanzieren sowie Fabriken, Labors und Verwaltungen zu modernisieren, werde immer mehr entnommen. Auch hier wurden neue Rekordhöhen erreicht. Auch die von den Arbeitgebern geforderte Rücksichtnahme auf den Osten laufe ins Leere. Gerade in Mecklenburg-Vorpommern sei die Produktivität in den Metallbetrieben zumindest auf Westniveau, während die Effektiv-Löhne bei nur 75% liegen. Die IG Metall lehnte daher auch die Gegenforderungen der Arbeitgeber nach "betrieblichen Öffnungen" und "ergebnisabhängiger Bezahlung" als Wiederholung des jährlichen Rituals ab. In dieser Tarifrunde geht es darum, den Arbeitnehmern, die gleichbleibende Kosten haben, gesicherte Einkommenserhöhungen zu verschaffen. Einmalzahlungen oder die Öffnung der Tarifverträge nach unten sind für die Arbeitnehmer nicht akzeptabel.

Teichmüller forderte die Arbeitgeber auf, wenn es ihnen "um neue Partnerschaft und um neue Verhandlungsformen geht", endlich das zu tun, was alle der Republik erwarten, ein Angebot vorzulegen, das einen schnellen Verhandlungskompromiß ermögliche.

(Presseerklärung der IG Metall, Bremen, 11.12.98)