Gegen den Krieg

Gegen Krieg und Kottau vor dem Kapital

Der 1. Mai in Kiel

(Fotos: jm)

Ganz im Zeichen des Angriffskrieges der NATO gegen Jugoslawien standen auch in Kiel der traditionelle Umzug und die Kundgebungen zum 1. Mai. Etwa 1.000 DemonstrantInnen machten auf Transparenten ihrem Unmut über den ersten deutschen Kriegseinsatz seit 1945 Luft. Ziel der rhetorischen Gegenschläge war dabei auch der DGB selbst. Auf einem Transparent wurde DGB-Chef Schulte offen zum Rücktritt aufgefordert, da er sich mit den rosa-grünen Kriegstreibern gemein gemacht habe ("Schulte muß zurücktreten - Kein Burgfrieden mit den Kriegstreibern!").

Erwartungsgemäß anders sah Hauptrednerin Heide Simonis die Lage. Dem Kürzel "MP" für "Ministerpräsidentin" verlieh sie in ihrer Brandrede sprechende Bedeutung. Gegen die Pfiffe von KriegsgegnerInnen demagogisierte Simonis: "Brandschatzung und Vergewaltigung im Kosovo, andauernde Verletzungen der Menschenwürde würden von Ihnen, die Sie hier herumschreien, ein bißchen mehr würdige Ruhe verlangen." Der NATO könne man "weiß Gott" nicht vorwerfen, daß sie einen Angriffskrieg führe, die NATO wolle vielmehr nur helfen. In "der Hilfe für die Völker Süd- und Osteuropas" hätten Europa und die EU "nunmehr ihre eigentliche Aufgabe gefunden, denen eine neue Chance zu geben, wie wir sie nach dem 2. Weltkrieg bekamen". Auch Veronika Keller-Lauscher von der IG Bergbau-Chemie-Energie meinte vorbei an DGB-Chef Schultes Beteiligung an der Kriegstreiberei: "Der DGB bleibt eine große Friedensbewegung." Wohl weil Soldaten auch Arbeitnehmer sind, wollte sie ferner "an diesem 1. Mai an die vielen Soldaten denken, die im Krieg sind". In hahnebüchener Verdrehung geschichtlicher Tatsachen sah sie dies "vor allem in Kiel" angezeigt, "wo schließlich Soldaten eine Revolution gemacht haben".

Aber nicht nur gegen die Bonner Stahlhelme mochten die Gewerkschaftsleitungen nicht so recht Front machen. "Die Bereitschaft, im Bündnis für Arbeit ihren Beitrag zu leisten", kündigte Dietmar Katzer (DAG) für die Gewerkschaften an. Wie solches "Neues Handeln für unser Land", so das bundesweite DGB-Motto dieses 1. Mai, aussehen wird, kann man sich angesichts solch' windelweicher Kottaus vor dem Kapital ausrechnen. Allenfalls im Populismus gegen die neuen Gesetze zu 630-Mark-Jobs und Scheinselbständigkeit wagte Heide Simonis einen kleinen Seitenhieb gegen die Regierung. Bei einem "Gesetz, das kein Mensch versteht", seien noch Nachbesserungen vonnöten.

War von der Gewerkschaftsaristokratie keine Gegnerschaft gegen die Bonner Regierungspolitik zu erwarten, machte dafür das Kieler Bündnis zur Mobilisierung zum Euromarsch am 29.5. nach Köln umso deutlicher, was vom EU-Kapital zu halten ist. "Lauschangriff, NATO-Bomben, Rassismus, Sexismus, Billigjobs, Ausb-EU-tung" stand auf den Pappkisten, aus denen in einer kleinen Performance "Sozialschmarotzer" unter der Knute eines Kapitalisten mit Zigarre eine Mauer um die "Festung Europa" errichten mußten - um sie dann mit revolutionärem Elan einzureißen. Bleibt zu hoffen, daß dies nicht nur ein Theaterstück am 1. Mai bleibt, sondern daß in zwei Wochen in Köln "die Verhältnisse zum Tanzen gebracht" (Karl Marx) werden.

(jm)

Auf nach Köln!

Europäische Demonstration gegen den EU-Gipfel am 29.5. in Köln. Euromarsch gegen Erwerbslosigkeit, ungesicherte Beschäftigung, Ausgrenzung, Rassismus und Krieg. Aus Kiel fährt ein Bus. Kartenbestellung unter 785156