Internationales

Niederlande:

Kaum Widerstand gegen den Krieg

Wie im deutschen Bundestag stehen auch im niederländischen Parlament die Kriegsgegner ziemlich alleine da. Einzig die Abgeordneten der kleinen Sozialistischen Partei SP stimmten geschlossen gegen die Beteiligung des Königreichs an der NATO-Aggression. LinX sprach mit Johan van den Hout über die Haltung seiner Partei. Der 33jährige ist seit kurzem als Mitarbeiter der Parlamentsfraktion zuständig für Außen- und Entwicklungspolitik. Zuvor arbeitete er bei der Parteizeitung "Tribune".

(wop)

LinX: Herr van den Hout, die SP ist die einzige niederländische Partei, die sich gegen den NATO-Krieg ausspricht.

Johan van den Hout (JvdH): Ja. Im Parlament haben außer unseren Leuten nur ein Sozialdemokrat und zwei Linksgrüne gegen die Beteiligung gestimmt. Aber die sind in ihren Parteien isoliert. Unsere Position ist, daß die Bombardements sofort und ohne Vorbedingungen aufhören müssen, um den Weg für die Diplomatie frei zu machen. Die UN und Rußland müssen eine größere Rolle bei der Suche nach einer politischen Lösung spielen. In der Debatte um die neue NATO-Strategie haben wir gefordert, daß die NATO nur mit UN-Mandat militärische Gewalt gegen Staaten anwenden darf, von denen sie nicht angegriffen wird. Aber damit standen wir vollkommen allein. Auch LinksGrün stimmte gegen unseren Antrag. Bei denen gibt es wegen des Krieges große Unruhe. Es könnte sein, daß sie sich spalten. Etwa die Hälfte der Mitglieder ist gegen den Krieg.

LinX: Wie sehen Sie die Rolle ihrer Regierung?

JvdH: Die hat in NATO und EU wenig zu melden. Deshalb haben sie auch keine eigene Meinung, sondern folgen einfach den USA und den anderen wichtigen Verbündeten.

LinX: Gibt es außerparlamentarischen Widerstand?

JvdH: Kaum. Die Mehrheit der einstigen Friedensbewegung ist zwar gegen die Bombardements, aber für den Einsatz von Bodentruppen, um die Bevölkerung zu schützen. Wir organisieren Diskussionsveranstaltungen im ganzen Land, die allerdings schlecht besucht sind. Außerdem bauen wir gerade ein Akademiker-Komitee auf. Besonders Völkerrechtler sind interessiert.

LinX: Sprechen wir von der SP. Der Name ist ein wenig irreführend. Sie sind nicht Mitglied der Sozialistischen Internationalen.

JvdH: Richtig. Die SI ist eine sozialdemokratische Internationale. Daran haben wir kein Interesse. Die Wurzeln unserer Partei gehen zurück auf die radikale Linke der 70er. Die SP wurde 1972 gegründet, aber ins nationale Parlament sind wir erst 1994 mit zwei Abgeordneten eingezogen.

LinX: Ist die SP eine marxistische Partei?

JvdH: Mag sein, daß wir in der Praxis marxistisch sind, aber wir betreiben nicht viel Aufwand mit der Theorie. Marx, Lenin und andere haben vieles geschrieben, aber wir halten uns mehr an die Praxis. Statt uns in die Studierzimmer zu verkriechen, ziehen wir es vor, aus dem Alltag zu lernen und uns auf die tägliche Politik zu konzentrieren. Vor allem versuchen wir, Dogmatismus zu vermeiden.

LinX: Wer sind ihre Mitglieder?

JvdH: SP ist eine Partei der arbeitenden Menschen. Zur Zeit sind wir die einzige Partei in Holland, die wächst. Unsere Mitglieder sind Arbeiter, Studenten und Arbeitslose. Andere Parteien, auch auf der Linken, rekrutieren v.a. unter Akademikern. Wir konzentrieren uns in auf die Basis, d.h. der weitaus wichtigere Teil unserer politischen Arbeit ist außerparlamentarisch. Unsere Mitglieder sind in Stadtteilgruppen aktiv, wir haben Komitees in den Gewerkschaften, in Schulen, in Betrieben und im Gesundheitssektor.

LinX: Wofür tritt die SP ein?

JvdH: Für Sozialismus natürlich, aber das ist eine sehr langfristige Angelegenheit, zumal wir sehr klein sind. Im Augenblick sehen wir unsere wichtigste Aufgabe darin, der Opposition gegen den Neoliberalismus eine Stimme zu geben. Umso mehr, als die sozialdemokratischen Parteien sich dem Neoliberalismus verschrieben haben.

LinX: Auf der einen Seite Basisarbeit, auf der anderen Seite Wahlbeteiligung. Beißt sich das nicht?

JvdH: Nein. Wir schauen auf die richtige Reihenfolge. Mitarbeit in Parlamenten braucht eine solide Basisarbeit. Wenn eine SP-Ortsgruppe sich an den Kommunalwahlen beteiligen will, dann darf das nicht aufgesetzt sein. Sie muß zeigen, daß sie Menschen organisieren und lokale Proteste in politische Aktion umwandeln kann. Erst wenn die Gruppe in der Gemeinde verankert ist - und nur dann - erlauben die Parteigremien eine Wahlbeteiligung.

LinX: Sie beteiligen sich an den Wahlen zum EU-Parlament. Was versprechen sie sich davon?

JvdH: Weder die EU, noch ihr Parlament werden wir von Innen ändern können. Wir wollen einen Abgeordneten nach Straßburg schicken, um die anderen niederländischen Parteien ein wenig zu kontrollieren. Es kommt nämlich oft genug vor, daß sie zuhause sagen, sie müssen dieses und jenes beschließen, weil Brüssel es so will. Schaut man genauer hin, dann zeigt sich, daß sie in Wirklichkeit auf der EU-Ebene Beschlüsse mittragen, für die sie in den Niederlanden jede Verantwortung leugnen. Sie verstecken sich also gerne hinter EU-Bürokratie und -Parlament, und das hoffen wir, besser aufdecken zu können.

LinX: Und wie sieht es mit der internationalen Zusammenarbeit aus?

JvdH: Auch dafür wäre ein Abgeordneter in Straßburg natürlich nützlich. Wir werden uns der Fraktion der Vereinigten Linken anschließen. Außerdem versprechen wir uns mehr Kontakte, auch für die Kooperation an der Basis, die uns besonders wichtig ist. Verstärkter Austausch unter den europäischen Linken bedeutet auch mehr Verständnis. Z.B. sind unsere Auffassungen von denen der französischen KP sehr verschieden. Aber wenn wir mit ihnen zusammenarbeiten, merken wir, daß manches daher kommt, daß sie in der Regierung sitzen. Austausch macht es also einfacher, einander zu respektieren.

LinX: Und ist ja vielleicht auch gleichzeitig eine Lehre darin, daß man es nicht zu eilig haben sollte, in die Regierung zu kommen.

JvdH: Auf jeden Fall. Wir sind manchmal ziemlich froh, nicht regieren zu müssen.

LinX: Vielen Dank für das Gespräch.