Gegen den Krieg

Man feiert Krieg

Das hatte sich König Norbert wohl etwas feierlicher vorgestellt. 50 Jahre NATO wollte er am vorletzten Donnerstagabend (6.5.) mit allem, was in der Marinestadt Rang und Namen hat, begehen. Auch die Bonner Botschafter Polens und Großbritanniens hatte man zu diesem Zweck eingeladen. Gut 100 Demonstranten waren allerdings der Meinung, daß es da nichts zu feiern gibt, schon gar nicht angesichts des Krieges in Jugoslawien. Mit "Mörder, Mörder!"-Rufen und einem Pfeifkonzert empfingen sie die Festgesellschaft vor dem Schauspielhaus. Eier, Tomaten und Mehl trafen so manche Abendgarderobe und Uniform. Während die meisten Gäste von der Polizei durch die Demonstranten geschleust wurden oder gleich den Hintereingang des Schauspielhauses benutzten, ließ es sich Gansel nicht nehmen, den Weg durch die Menge zu suchen, was ihm einige eirige Volltreffer eintrug. Ganz in Kohlscher Manier versuchte er daraufhin, sich einen der Werfer zu schnappen. Die bis dahin bereits mehrfach von den Ordnungshütern angekündigte Räumung des Gehsteiges vor dem Schauspielhaus wurde nach dieser Attacke auf den OB mittels Schlagstöcken und ruppigen Rempeleien gegen die Demonstranten umgesetzt.

Irgendwie muß der leidenschaftliche Ex-Mariner Gansel, der die Schirmherrschaft für die Kriegstreiberparty übernommen hatte, wohl geahnt haben, daß es Ärger geben würde. Jedenfalls hatte man bei den Vorbereitungen der Feier das Licht der Öffentlichkeit gescheut. Angestellte und Schauspieler des Theaters waren erst am Vortag offiziell informiert worden, daß das Kriegsbündnis in ihrem Haus bejubelt und sie zu diesem Zwecke ausgesperrt werden sollten. Entsprechend sauer reagierte das Ensemble. In einer Anzeige im Monopolblättchen distanzierte man sich von der Feier, aber auch von "einseitig die NATO-Politik verurteilenden" Protesten. Letzteres, so hieß es aus Kreisen der Künstler, um alle zur Unterschrift zu bewegen. An den Protesten beteiligten sich allerdings nur wenige Ensemblemitglieder, obwohl man geplant hatte, die Festgesellschaft in einem "ironischen Akt", so ein Schauspieler, beim Verlassen des Hauses um Spenden für Kosovo-Flüchtlinge zu bitten.

Die Fraktionsvorsitzenden von SPD, CDU und SUK im Kieler Rat verurteilten am nächsten Tag in Pressemitteilungen einträchtig "die Krawalle". Zwar seien "Demonstrationen in Ordnung", so der SPD-Fraktionsvorsitzende Jürgen Fenske, wer jedoch gegen Gewalt protestiere und dabei selbst Gewalt anwende, mache sich unglaubwürdig. In der Ansicht, daß Eierwürfe Gewalt, Bombenangriffe hingegen "humanitäre Hilfsaktionen" seien, war man sich also wiedermal einig. CDU-Chef Arne Wullf forderte gar einen sofortigen Stop der städtischen Zuschüsse für die Hansastraße 48, weil von der die "Gewalt" ausgegangen sei. Wulff bezog sich dabei auf ein Flugblatt, wonach im Infoladen die Aktionen gegen die NATO-Feier geplant worden seien. Die Hansastraße bilde "eine Keimzelle für gewaltbereite Autonome", und es sei "geradezu ein Witz", daß die Stadt diese auch noch fördere. Rainer Pasternak, grünes Mitglied im Kulturausschuß und Vorsitzender des Hansastraßenvereins, forderte von Wulff für diese hahnebüchenen Vorwürfe eine "Entschuldigung in angemessener Form". Und auch Fenske wies Wulff in die Schranken, die Hansastraße "mit ihrem vielfältigen Veranstaltungsangebot" könne nicht "in eine Art Sippenhaft" genommen werden.

Gewalt oder Gewalt? Polizisten als humanitäre Schutztruppe, die friedliche Festbesucher durch den feindlichen Eierhagel geleitet (oben), und bei der planmäßigen Vertreibung von Gewalttätern vom Gehsteig (unten) (Fotos: jm)

Rendsburg: NATO dachte über die Angriffskriege von morgen nach

Vollkommen ohne Polizeischutz und Proteste kam hingegen eine zeitgleich zu den Protesten vor dem Schauspielhaus stattfindende CDU-Veranstaltung aus. Der CDU-Landesarbeitskreis Sicherheitspolitik hatte nach Rendsburg zu einem Vortragsabend mit General a.D. Wolfgang Altenburg eingeladen. Altenburg war von 1983-86 Generalinspekteur der Bundeswehr und danach bis zu seiner Pensionierung Vorsitzender des NATO-Militärausschusses in Brüssel. Aus Anlaß des 50-jährigen NATO-Bestehens wollten sich die Christdemokraten seine Vorstellungen über "Die neue Sicherheitspolitik Europas - EU/WEU/NATO" anhören.

Altenburgs Ausführungen ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: "Sicherheitspolitik ist Bestandteil der Außenpolitik", erklärte er der versammelten Herrenrunde. Und die müsse auch die Bereitschaft beinhalten, im Ernstfall militärisch einzugreifen. Milosevic hätte man schon viel früher, schon im jugoslawisch-kroatischen Krieg, mit entschlossenen Militäraktionen die Ernsthaftigkeit des westlichen Bündnisses deutlich machen müssen, erklärte der Ex-General, der heute in den Aufsichtsräten mehrerer großer Unternehmen sitzt.

Daß das nicht geschah, habe an mangelnder Einigkeit der europäischen Regierungen gelegen. Europa, zitiert er zustimmend den Bonner US-Botschafter, sei immer noch "ein Hühnerhaufen", aber das müsse sich nun ändern. Für den "europäischen Staatenbund", d.h. die EU, müsse eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik her und dafür EU und das Verteidigungsbündnis WEU miteinander verschmolzen werden. Schritte in diese Richtung stehen auf der Tagesordnung des EU-Gipfels Anfang Juni in Köln. Als Gegenstand der gemeinsamen Politik sieht Altenburg u.a. die Menschenrechte an, und zwar, wie er nachdrücklich betonte, in aller Welt.

In der nachfolgenden Diskussion ging es v.a. um den Krieg gegen Jugoslawien. Fragen aus dem Publikum, inwiefern auf dem Balkan auch die "Rohstofflage im Kaukasus" eine Rolle spiele, wich Altenburg aus und verwies nur allgemein darauf, daß Europa einen besseren Zugriff auf Rohstoffe brauche, um neben den USA bestehen zu können. Zum Einsatz von Bodentruppen werde es im jetzigen Krieg nicht kommen. Dafür sei eine Aufmarschzeit von je nach Szenario sechs Wochen bis zu einem halben Jahr notwendig. Die NATO-Militärs, so Altenburg, haben das seinerzeit den Politikern vorgerechnet, doch die hätten eindeutig darauf verzichtet, diesen Schritt vorzubereiten.

(wop, jm)