Kommentar

Bremer Modell?

Vielleicht war es ja das Vorbild der Bremer Stadtmusikanten, die nichts zu verlieren hatten als ihre Ketten, welches das kleinste Bundesland einst auch zum linkesten machte, damals in den 70ern - zumindest was die Universität und den dortigen ARD-Sender betraf. Die Zeiten jedenfalls sind längst vorbei. Das ideologisch-demagogische Trommelfeuer aus Neoliberalismus, latenter Fremdenfeindlichkeit und in deren Sinne erfolgreicher "Realpolitik" hat "dem Wähler" schon vor Zeiten ausgetrieben, den scheinbar sicheren Boden des Beständigen zugunsten waghalsiger Politexperimente zu verlassen.

Und so scheint, was "der Wähler" in Bremen will, eigentlich auch das zu sein, was er in Bonn gewollt hätte, nämlich die Groß(e)DeutscheKoalition statt der Fußgängerampel, die aus Sicht "des Wählers" meistens auf Rot steht, sprich auf Stop statt Go, weil das grüne Licht genauso auf Stagnation geschaltet ist wie das "rote". Ein Dreivierteljahr SPD-Grün in Bonn zeigt "dem Wähler" andererseits, daß es nicht langsamer voran geht als mit einer Großen Koalition, sogar bei der weiteren Beschleunigung auf dem Kurs von Sozialdemontage, Atomrecycling und Kriegsfähigkeit weltweit. Warum also bei der nächstbesten Gelegenheit nicht lieber das Original ankreuzen als die Fälschung, die zudem immernoch - wenn auch nach dem olivgrünen Selbstreinigungsprozeß von Bielefeld und Lafontaines Abmarsch in die Toskana nur noch wenige - "unsichere Kantonisten" enthält?

Wenn Kriegskanzler und Grundgesetz- und Völkerrechtsbrecher Schröder am Wahlabend auf Nachfrage sagt, daß das mit der Großen Koalition in Bremen schon klar geht, trotz rechnerischer Möglichkeit für eine Kopie des derzeitigen Bonner Modells und Fehlen der das Regieren leichter machenden wichtigen Stimme im Bundesrat, die ein Bremer Rot-Grün bringen würde, dann darf man ihm glauben, daß er das nicht nur aus Rücksichtnahme auf die Bremer Parteikollegen sagt. Nein, Staatsräson geht hier vor Parteiräson. Im Hinterkopf hat er Bremen als Modellfall für Bonn/Berlin, falls der kleinere Partner auf der Regierungsbank nach all den geschluckten Kröten beim Würgen an der nächsten doch mal das Kotzen kriegen sollte.

Man könnte derlei mit jenem Zynismus der Verzweiflung, den diese Zeitung in ihrer Kolumne "Herr, send' Hirn!" (nicht zu unrecht) kultiviert, als "Verschärfung der Widersprüche" goutieren. Doch jene Dialektik fordert Opfer in Menschengestalt, Tote in Jugoslawien (noch da, demnächst anderswo) und immer mehr um ihr Glück und ihre Existenz Gebrachte in hiesigen Gefilden. So winzig also die Hoffnungen sind, die in Bremen auf Rosa-Grün zu setzen wären, Rosa-Grün wäre - zumal bei der derzeitigen Schwäche bis Nicht-Existenz einer radikalen Linken - doch das etwas geringere Übel im Vergleich zum rot-schwarzen Chaos, das im Bremer Senat fortgesetzt wird und somit demnächst auch im Reichstag ausbrechen könnte.

(jm)