Leserinnenbrief

Sippenhaft bei Vorwurf der Kriegstreiberei

Das Ganze ist sicher nicht einfach, das hat auch keiner behauptet. Nur: Pauschalisierungen helfen aber auch hier nicht weiter. Und ihr (die LinX-Redaktion) seid ja die letzten, die nicht Widersprüche zusammen denken können.

"Die Grünen" in einen Topf zu werfen, über einen Kamm zu scheren, ist sicher das Ungeschickteste, was ihr tun könnt. Grüne Kriegstreiber gibt es wirklich nur wenige. Ich nenne die Unterstützer des Baden-Württemberger Antrages zur Bielefelder BDK, ich nenne Werner Schulz, MdB aus Leipzig. Ich nenne nicht Joschka Fischer, der mit dem BuVo-Antrag ein Instrument in der Hand hat, sich seine weiße Weste zu sichern. In Bielefeld ist noch einmal deutlich geworden, daß die Hardliner wie Joschka, Cohn-Bendit oder Vollmer in erster Linie einen Frieden bewirken wollen. Das sind in dieser Situation natürlich erstmal Lippenbekenntnisse, die sie - denke ich - aber guten Gewissens veräußern dürfen, weil sie in der NATO-Allianz keinen echten Einfluß haben. Nur ein so gemäßigter Kompromiß, wie Fischer ihn in seinen diplomatischen Bestrebungen verfolgt, kann vielleicht die Ohren der Militärs (und ihrer Hintermänner) erreichen. Den Bielefelder BuVo-Antrag kann ich nicht mittragen, aber ich halte ihn auch nicht für das Ergebnis von Kriegstreiberei.

Joschkas Rede hat mich nicht nur enttäuscht und verletzt, ich halte sie für (im grünen Sinne) nicht verantwortlich. Mir fehlte in seiner Rede ein Zeichen der Solidarität für die Pazifisten in seiner Partei. Eine Solidarität, die etwa Kerstin Müller durchaus und unter viel Beifall formuliert hat. Nach Joschkas Rede war ich gewillt, aus dieser Partei auszutreten. Das grinsende "Na eben" von eurer Seite akzeptiere ich - ich trete nicht aus. Der BuVo-Antrag hatte 318 Gegenstimmen.

Diese 318 Delegierten, die sich wenigstens auf die Ströbele-Linie einigen konnten, sind eine wichtige Basis, um auf eine deutliche pazifistische Positionierung der Grünen hinzuwirken. Es wird im Laufe des Jahres eine große Diskussion über ein neues Grundsatzprogramm geben; seit den Bundestagswahlen im Herbst ist der Fahrplan für die Aufstellung desselben festgelegt. Angesichts diverser verlorener Wahlen (bes. im Osten!) werden alte bestehende Ideale deutlicher als bisher neu formuliert werden.

Zudem: Es ist unfair, die Grünen auf die Arbeit der drei Minister zu reduzieren. Regierungsbeteiligung kann nur im Schließen von Kompromissen erfolgen. Der Atomausstieg ist eine Niederlage für "echte" Grüne gewesen, der Kompromiß zur Staatsbürgerfrage ist eine Niederlage, die Ökosteuer ist halbherzig (wird zudem von den Kriegsausgaben aufgefressen werden ...) etc. Ich stelle die Frage anders: Was wäre ohne eine grüne Regierungsbeteiligung? Kohl hätte weiter eine gesellschaftliche Atmosphäre der Stagnation verbreitet.

Zurück zum Krieg: Ich unterstütze Bärbels Höhns Bitte an grüne Parteimitglieder, innerhalb der Partei gegen den Krieg zu arbeiten. Allerdings kann ich hier in meinem Dresdener Umfeld jetzt (nach Joschkas Rede) keinem mehr vom Austritt abraten. Und ich hoffe, daß die ausgetretenen und noch nicht ausgetretenen Mitglieder, die sich am 6. Juni in Dortmund zu einem Basis-Gespräch (kleiner Parteitag) treffen, der Partei wichtige Impulse geben können.

Noch einmal: Den pauschalen Vorwurf der Kriegstreiberei gegen grüne Mitglieder halte ich für unpassend, er ist nicht sachdienlich.

Mit solidarischem Gruß an die LinX-Redaktion: Katharina Hofmann