Anti-AKW

Fahrradtour und Großdemo gegen das AKW Barsebäck

Für die erste August-Woche rufen schwedische und deutsche Anti-AKW-Initiativen zu einer internationalen Fahrradtour vom Wendland nach Malmö/Schweden auf, die sich gegen den Weiterbetrieb des AKW Barsebäck richtet und deren Höhepunkt eine Großdemo von Lund nach Malmö am 7.8. sein soll. Der Aufruf steht unter folgendem Motto: "Schließt Barsebäck jetzt! Stoppt alle Atomanlagen! Für eine ökologisch und sozial ausgerichtete Gesellschaft! Solidarität mit kommenden Generationen! Macht die Alternativen möglich! Keine Entschädigung für die Atomunternehmen!"

Verflechtungen - Warum Barsebäck uns Schleswig-Holsteiner angeht

Greenpeace-Aktion am AKW Barsebäck

Das Atomkraftwerk Barsebäck ist ein uralter Siedewasserreaktor, der aus zwei Blöcken zu je 600 MW elektrischer Leistung besteht. Diese Blöcke gingen 1975 bzw. 1977 ans Netz und sind von der Bauweise her nur mit dem 1995 stillgelegten Reaktor Würgassen vergleichbar. Die Kühlung des Reaktors wird durch "externe Rezirkulation" gewährleistet, d.h., daß jener Teil des Kühlwassers, der nicht im Reaktor verdampft, durch Rohrschleifen zirkuliert, die außen am unteren Teil des Druckbehälters angebracht sind. Dies hat gegenüber der "internen Rezirkulation" (wie in Brunsbüttel und Krümmel) vor allen Dingen den Nachteil, daß es viel mehr Rohrleitungen und rißanfällige Schweißnähte im Kühlkreislauf gibt. Bei einem Bruch oder Abriß einer Rohrschleife, die tiefer als der Reaktorkern liegt, läuft sofort das gesamte Kühlmittel aus dem Druckbehälter und legt den Kern frei - eine Kernschmelze kann rasch eintreten.

Barsebäck liegt an der südschwedischen Öresundküste, ca. 30 km vom Ballungsraum Malmö und nur 25 km vom Zentrum der dänischen Hauptstadt Kopenhagen entfernt. Betreibergesellschaft ist die Sydkraft AB mit Sitz in Malmö. Hauptaktionäre dieser Gesellschaft sind die PreussenElektra (Hannover, 27,3% Stimmrechte, 17,6% Aktienkapital) und die HEW (Hamburg, 15,7% Aktienkapital). Desweiteren ist die norwegische Statkraft beteiligt. Aufsichtsratsvorsitzender ist Hans-Dieter Harig, der Vorstandsvorsitzende der PreussenElektra. Sydkraft wiederum hält Anteile an den deutschen Stromkonzernen und gibt offen zu, daß diese Besitzverhältnisse den Atomausstieg erschweren sollen.

Das Versorgungsgebiet der Sydkraft und der PreussenElektra-Tochter Schleswag verbindet ein 600 MW-Seekabel, das sog. Baltic Cable, bei dessen Verlegung es bereits 1993/94 Proteste gegeben hatte, die nicht nur mit Atomkraft zu tun hatten. Das Baltic Cable verbindet das schwedische Arrie mit dem holsteinischen Lübeck. Es handelt sich um eine einphasige Gleichstromleitung, d.h. als Rückleiter wird das Ostseewasser genutzt, was bei einem Energiefluß von 600 MW natürlich zu entsprechender Elektrolyse führt. Nach Angaben von Gutachten der Stromkonzerne kommt es dabei nicht überwiegend zur Bildung von Natronlauge, sondern von schwerlöslichem Magnesium- und Calciumhydroxid. Die ökologischen Auswirkungen wurden als "unbedenklich" eingestuft, was einige Umweltschützer nicht ganz glauben konnten. Es kommt über dem Kabel zu Kompaßmißweisungen. Vor der Küste Mecklenburg-Vorpommerns liegt als Kathode ein Kupfferring von 1 km Durchmesser im Wasser, an dessen Oberfläche "sich keine merkliche Wasserstoffblasenbildung entwickelte". Dieses Kabel jedenfalls dient der wechselseitigen Energieeinspeisung in das jeweils andere Netz, denn die beiden Kopfstationen an den Enden des Kabel haben Gleichrichter, die es ermöglichen, den Energiefluß trotz gleichbleibender Stromrichtung umzukehren. D.h. Atomstrom aus Barsebäck fließt zu Spitzenzeiten - z.B. wenn in Schweden die Schneeschmelze die Wasserkraftwerke begünstigt - ins Schleswag-Netz, in trockenen Zeiten dagegen fließt Atomstrom aus Krümmel und Brokdorf nach Malmö.

Politischer Wille - juristisch gestoppt

In einer Volksabstimmung 1980 hat Schweden den vollständigen Ausstieg aus der Atomkraft bis zum Jahr 2010 beschlossen. Trotz dieses Beschlusses wurden seitdem 6 neue Meiler gebaut - vorübergehend. In einem zweiten Anlauf hat die rot-grüne Regierung in Stockholm 1997 die Stillegung von Barsebäcks Block 1 zum 1.7.1998 und von Block 2 zum 1.7.2001 verfügt. Im Mai 1998 bekam der Einspruch der Sydkraft gegen die Stillegung vor einem Verwaltungsgericht im Rahmen eines Eilverfahrens recht. Die Atombetreiber klagten mit dem Hinweis auf "Verletzung des Eigentums" und verlangten eine Entschädigung, über die das Parlament nicht entschieden hatte. Das Verwaltungsgericht entschied zwar in dieser Frage nicht selbst, delegierte aber die Entscheidung an den Europäischen Gerichtshof und setzte die Stillegung bis zu dessen Entscheidung aus. Dies fiel umso leichter, als - nach Interpretation des Gerichts - die schwedische Regierung keine zwingend erforderliche Umweltfolgeanalyse (bei uns Umweltverträglichkeitsprüfung) vorgenommen habe, die hätte nachweisen können, daß der Umwelt Schäden durch den Weiterbetrieb entstehen. Daher seien die Betreiberinteressen (drohende Verluste) vorrangig. Dabei wäre es kein Problem gewesen, Schäden für die Umwelt nicht nur im Falle des Weiterbetriebs, sondern bereits in der Vergangenheit zu belegen.

Der Störfall

Am 28.7.1992 öffnete beim Hochfahren des Blocks 2 eins von 13 Sicherheitsventilen an einer Frischdampfleitung zur Turbine und blieb aufgrund einer Fehlfunktion offen stehen. Wegen des Lecks im Kühlkreislauf wurden die Notkühlsysteme angeschaltet. Unvorhergesehenerweise beschädigte aber der ausströmende Dampf die Isolierung von Rohrleitungen in der Nähe des Lecks. Das abgerissene Isoliermaterial gelangte in die Kondensationskammer und verstopfte dort rasch die Siebe, durch die das kondensierte Kühlmittel wieder zurück in den Druckbehälter strömen sollte. Nur durch Abschalten der Notkühlung konnten die Siebe freigespült werden und die Situation nach 50 Minuten unter Kontrolle gebracht werden. Es war aber reines Glück, daß der Reaktor erst auf 2% seiner Leistung fuhr, sonst wäre ein Unfall kaum zu vermeiden gewesen. Trotz einer umfassenden Untersuchung dieses Vorfalls hatte sich 1998 an der Sicherheitslage kaum etwas geändert, wie eine Risikostudie enthüllte: Für Barsebäck konnten die Sicherheitsstandards der atomfreundlichen IAEO nicht eingehalten werden.

Greenpeace besetzte am 25.3.1999 das Dach des Blocks 1, um gegen den vom Gericht gewährten Weiterbetrieb zu protestieren und daran zu erinnern, daß die Sicherheit des Nachbarlandes Dänemark, das sich bewußt gegen Atomkraft entschieden hat, fortgesetzt ignoriert wird. Bereits am 26.3. räumte die schwedische Polizei mit Helikopter-Unterstützung die 22 AktivistInnen.

Für Menschen, die sich an der Fahrradtour und/oder Großdemo beteiligen möchten, lädt die KIGA zu ihrem Treffen am 8.7. um 19 Uhr im Infoladen, Hansastr. 48 ein. Dort soll Organisatorisches und Finanzielles geregelt werden. Wer für die schwedisch-deutsche Kampagne spenden möchte, kann dies auf folgendes Spendenkonto tun: BUND e.V., Sparkasse Bonn, BLZ 38050000, Kto. 232, Verwendungszweck: Barsebäck!

(BG)