Internationales

Widerstand gegen Globalisierung vernetzt sich

Fast schon inflationär werden derzeit internationale Alternativ-Konferenzen abgehalten. Die "Globalisierung" schreitet voran und ruft im zunehmenden Maße ihre Gegner auf den Plan. In rascher Folge sind in den letzten zwei Jahren internationale Netzwerke entstanden, die den Widerstand "gegen die Diktatur des Marktes" organisieren wollen. Eines davon ist ATTAC (Association pour une Taxation des Transactions financières pour l'Aide aux Citoyens), das im Juni letzten Jahres auf Initiative der in Paris erscheinenenden internationalen Monatszeitschrift "Le Monde Diplomatique" entstand und sich seit dem v.a. in Frankreich mit über 90 regionalen und lokalen Komitees ausgebreitet hat.

Demonstration in Paris am Rande des ATTAC-Treffens

Ende Juni lud ATTAC zu einem Treffen nach Paris, um drei Tage lang über internationale Kampagnen zu beraten. 1.000 Menschen aus rund 80 Ländern waren gekommen. Im Mittelpunkt standen v.a. Initiativen für die Einführung einer Steuer auf internationale Kapitaltranfers, die sog. Tobin-Steuer, und gegen die Millenium-Runde der Welthandelsorganisation WTO.

Letztere soll Anfang Dezember im US-amerikanischen Seattle eingeläutet werden. Die Europäische Kommission dringt im Auftrag der EU-Regierungen darauf, daß in dieser Verhandlungsrunde über neue Schritte in der Liberalisierung des internationalen Handels und der Absicherung ausländischer Investitionen gesprochen wird. Dagegen formiert sich derzeit über alle Kontinente hinweg eine Opposition. In den USA planen diverse Gruppen und Organisationen einen Sternmarsch auf die Hafenstadt im Nordosten des Landes. Kanadische Aktivisten sprechen von einer der größten Mobilisierungen der außerparlamentarischen Bewegung der letzten Jahrzehnte. Getragen werden die Vorbereitungen i.w. von den Bündnissen, die sich gegen das inzwischen beerdigte Investitionsschutzabkommen MAI gegründet hatten.

In Paris verständigte man sich darauf, die Millenium-Runde mit einer weltweiten Kampagne zu begleiten. Vom 12. bis zum 17.10. wird es eine internationale Aktionswoche geben, womit auch ein Vorschlag aus Lateinamerika aufgegriffen wurde, den 12.10. zum internationalen Aktionstag gegen die Globalisierung zu machen.

Gegenstand der Dsikussionen in Paris waren auch die Auswirkungen der neoliberalen Offensive, die unter dem Schlagwort der Globalisierung inzwischen bis in den letzten Winkel des Globus vorgedrungen ist. Aus Argentinien berichteten Gewerkschafter von den schweren Verwerfungen in der Gesellschaft, die die Privatisierungswelle unter Präsident Menem hervorgerufen hat. Die alten, mit dem Staat verbundenen Gewerkschaften haben den größeren Teil ihrer Mitglieder verloren. Einst waren in dem südamerikanischen Land 70% aller Arbeiter organisiert, heute sind es gerade noch 28%. Während Teile der Arbeiterklasse heftigen Widerstand gegen den Verkauf staatlicher Unternehmen geleistet haben, konnte mancher Gewerkschaftsführer seinen Schnitt machen, indem er zum privaten Unternehmer mutierte. Inzwischen werde in Argentinien an einer neuen Vision von Gewerkschaft gearbeitet, die sich eng mit den übrigen Volksbewegungen verbindet und z.B. auch die Arbeitslosen organisiert. In den neuen Unternehmen ist diese Bewegung oftmals mit einer harten antigewerkschaftlichen Linie konfrontiert, wie etwa beim FIAT-Konzern, der in seinen Werken in Argentinien wie auch in Brasilien und Süditalien versucht, die Arbeiterorganisationen draußen zu halten. Oftmals würden europäische Konzerne ihre arbeiterfeindlichen Strategien erst in Südamerika ausprobieren, um sie dann zuhause anzuwenden.

Auch in Ekuador befinden sich die alten Gewerkschaften im Umbruch, berichtete Fernando Villavicencio von der Erdölarbeitergewerkschaft. Im Privatsektor sei es kaum noch möglich, zu organisieren. Grund: Werkschließungen, Flexibilisierung und harte Repressionen gegen Streiks. Noch sei der größte Teil des Erdölsektors in staatlicher Hand, aber europäische und nordamerikanische Konzerne drängen bereits auf den Markt. Für die Umwelt und die indigene Bevölkerung in den Förderregionen am oberen Amazonas befürchtet der Gewerkschafter daher verheerende Konsequenzen, wenn auch noch der letzte Rest nationaler Kontrolle verloren gehe.

In Europa soll indes die finnische EU-Präsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 1999 genutzt werden, um verstärkt Druck für die Einführung einer Steuer auf Kapitaltransfer und die Abschaffung von Steuerparadiesen zu machen. Immerhin, so die Organisatoren des Pariser Treffens, sei das finnische Parlament zusammen mit dem kanadischen das erste, das für eine derartige Steuer gestimmt habe. Für das Frühjahr 2000 ist eine EU-weite Demonstration in Brüssel für diese Forderungen geplant. Die nächste ATTAC-Konferenz wird in zwei Jahren stattfinden. Der Ort ist noch in der Diskussion.

(wop)

Weitere Infos zur ATTAC-Kampagne im Internet unter http://www.attac.org