Anti-Militarismus

"Teil eines neuen Traditionsverständnisses"

Angelika Beer verteidigt Bundeswehr-Gelöbnis

Kiel, Asmus-Bremer-Platz, 18.8.98: Kundgebung gegen das zeitgleich auf dem nahen Rathausplatz in einer Polizeifestung stattfindende öffentliche Gelöbnis. Hauptrednerin der Gegenveranstaltung ist Angelika Beer (verteidigungspolitische Sprecherin von B 90/Grüne). Ausschnitte aus ihrer Rede: Beer warf der Stadt vor, sich geradezu "darum gerissen zu haben, das Gelöbnis nach Kiel zu holen". Insbesondere die SPD sei in "Rühes Gelöbnisfalle getappt". Der Minister versuche, Gelöbnisse zu einem "Ja zur Wehrpflicht und zu weltweiten Kampfeinsätzen der Bundeswehr" umzufunktionieren. Überdies solle mit Gelöbnissen von den Problemen der Bundeswehr mit dem Rechtsextremismus in ihren Reihen abgelenkt werden. Schließlich versuche Rühe, "im Schatten der Gelöbnis-Kampagne die BürgerInnen auf einen Kampfeinsatz im Kosovo ohne UN-Mandat vorzubereiten". Diesen "Bruch internationalen Völkerrechts" gelte es auch mit einem Protest gegen das Gelöbnis zu verhindern. Wer diesen Protest diffamiere, demonstriere, "daß er den politischen Pluralismus, das Markenzeichen unserer Demokratie, auf subtile Weise untergraben wolle".

Berlin, 20.7.99. Nicht einmal ein Jahr später nimmt jene Angelika Beer an einem öffentlichen Gelöbnis in Berlin teil. 432 Rekruten wurden aus Anlaß des 55. Jahrestag des Attentats auf Hitler im Bendler-Block, der damaligen Zentrale des Widerstands adliger Militaristen gegen den "böhmischen Gefreiten", heute "Verteidigungs"ministerium der "Berliner Republik", vereidigt. Gegenüber der "Berliner Zeitung" hatte Beer vorher ihre Teilnahme begründet: Das Gelöbnis sei "Teil eines neuen Traditionsverständnisses der Bundeswehr". Auch "Verteidigungs"minister Rudolf Scharping wertete das Gelöbnis als Ausdruck einer "neuen Traditionslinie" der Bundeswehr. Die Veranstaltung finde an einem Ort statt, an dem schlimmste Verbrechen gegen die Menschlichkeit geplant worden seien, aber auch mutige Männer und Frauen des Widerstands für die Achtung von Menschenwürde und Menschenrechten ihr Leben gelassen hätten. "Für die Bundeswehr ist dieser Ort Ursprung einer neuen, ganz eigenen Traditionslinie geworden", erklärte Scharping.

Im Gegensatz zu Beer lehnen die Berliner Grünen das Gelöbnis ab. Zwar hatten sie auf einen eigenen Protestaufruf verzichtet, aber Gelöbnisse generell als reaktionär bezeichnet. SPD und CDU in Berlin warfen ihnen deshalb Doppelzüngigkeit vor. Beer grenzte sich am Tag vor dem Gelöbnis deutlich von ihren Berliner Parteifreunden ab. Sie werde selbst erstmals an einer solchen Zeremonie teilnehmen, weil diese am Jahrestag des Hitler-Attentats stattfinde. Sie verstehe dies als "Änderung in der Traditionspflege der Bundeswehr unter Verteidigungsminister Scharping, weil damit ganz deutlich gemacht wird, daß die Wehrmacht als solches kein Traditionsbezug für die Bundeswehr sein kann". Logik einer 180-Grad-Wende in nicht mal einem Jahr.

(jm - nach Mitteilungen im Internet)