Herr, send' Hirn!

"Wer mit 20 nicht Kommunist war, war nie jung, wer mit 40 immer noch Kommunist ist, wurde nicht erwachsen", lautete eine dieser strunzdummen Lebensweisheiten, mit denen in den good ol' times der repressiven Toleranz - den späten 70ern - sozialdemokratischen Väter ihre in der Blüte der politischen Sozialisation stehenden Kinder nervten. Ein blöder Spruch halt, wie er von bürgerlichen Dummschwätzern auch nicht anders zu erwarten war. Nur - immerhin wurde damals noch davon ausgegangen, daß es in der Evolution eines denkenden Menschen vor der Phase des sich Arrangierens mit den Verhältnissen, des sich Abfindens mit kleinen system-stabilisierenden Reförmchen noch eine Phase gibt, die eher von grundsätzlicher Unzufriedenheit mit den gesellschaftlichen Zuständen und von radikaler Kritik an diesen bestimmt ist. Heute - 20 Jahre später - scheint diese Zeit, in der eigentlich das selbständige, kritische Denken entwickelt werden sollte, einfach übersprungen zu werden. Zeugnis von diesem tragischen Umstand geben nicht nur "das Beispiel gelungener Integration" Cem Özdemir und die anderen Westerwelle-Nachbauten der G.R.Ü.N.E.N. wie Berninger und Metzger, sondern auch deren spezialdemokratische Pendants mit dem flotten Gattungsbegriff "Youngsters". Da bekanntlich auch KielerInnen jeden Blödsinn mitmachen, verwundert es auch nicht so sehr, daß Gansels Nachfolger als Bundestagsabgeordneter, Hans-Peter Bartels, es gar nicht abwarten konnte, seine Opportunisten-Unterschrift unter das Positionspapier "Aufbruch nach Berlin" zu setzen. Aber mit einem Parteikollegen (Jürgen Weber), der mit der kernigen Forderung "Ich will an das Tabu Studiengebühren 'ran" zu seinem Landtagsmandat kam, und einer Gattin, die es von der AstA-Vorsitzenden mit Streikbrecherqualitäten über "Kiel auf Empfang"-Kolumnistin der KN zur Lieblingskollegin der greisen "Zeit"-Herausgeberin Gräfin Dönhof gebracht hat, blieb Bartels vermutlich gar keine andere Wahl.

Erwähnter Gansel ist doch immer wieder für Überraschungen gut: Erst taucht er völlig unerwartet als Schirmherr einer doch recht exotischen Veranstaltung wie dem 24-Stundenlauf des TUS Holtenau auf, gibt dort seine völlige Unkenntnis in Fragen des Laufsport preis - um sich über 30 Grad und sengende Sonne als ideale Voraussetzungen für einen Ultra-Langstreckenlauf freuen zu können, muß man wahrscheinlich erst mal wehrpolitischer Experte der SPD gewesen sein -, um dann den anwesenden SportskameradInnen mal ordentlich Mores in Sachen Ehrenamtlichkeit zu lehren. Satt habe er, so Gansel, dieses ganze Gejammer über unbezahlte Arbeit im Vereinswesen schon lange. Würde er streng nach den Arbeitszeitbestimmungen des Beamtenrechts arbeiten, hätte er immer schon Mittwoch Mittag Wochenende. Mach doch, dachte ein Großteil der den Startschuß entgegenfiebernden Anwesenden, die es leid waren, sich von einem mal ganz unpopulistisch gebenden Populisten dichttexten zu lassen.

Eben noch in allen Medien die Bilder der stundenlangen Umarmung von Schröder mit dem dicken finnischen Präsidenten Ateshari, zeigen jetzt die deutschen Sozis, was sie wirklich vom Finnen halten. Gar nichts nämlich. Und deshalb bleibt Deutschland auch den informellen EU-Treffen in Helsinki fern. Der Finne an sich weigert sich nämlich, die Konferenz außer ins Englische und Französische auch ins Deutsche zu übersetzen. Warum so etwas nicht angehen kann, erklärt Kulturstaatssekretär Naumann: Erstens: 90 Millionen, zweitens: größter Beitragszahler. Angesichts solcher Argumentation erinnert man sich doch gerne wieder an diese japanischen Revolutionäre, die es vor 20 Jahren geschafft hatten, einen Raketenwerfer direkt vor dem japanischen Parlamentsgebäude aufzustellen.

(cs)