Herr, send' Hirn!

Brechts lesender Arbeiter fragt, ob die Könige selbst die Felsbrocken für das siebentorige Theben herbeigeschleppt hätten, wo doch nur ihre Namen in den Büchern stehen, wer das mehrmals zerstörte Babylon so viele Male aufbaute, und ob Feldherren wie Cäsar und Alexander nicht wenigstens einen Koch bei sich gehabt haben. "Alle zehn Jahre ein großer Mann. Wer bezahlte die Spesen? So viele Berichte. So viele Fragen." Fragen, die so oder so ähnlich auch heute noch zu stellen sind. So erfahren wir eher zufällig, dass Dieter Bohlens Putzfrau vor einem halben Jahr fast der Unterarm von Herrchens Kampfhund angebissen wurde; und dies auch nur im Zusammenhang mit der Mega-Meldung der letzten Woche von Bohlens durch eben jenen Hund zerfleischtem Gesicht.

Auch von dem Flüchtling, der vor einigen Wochen bei seiner Abschiebung mittels eines übergestülpten Motorradhelms umgebracht wurde, weiß kaum jemand etwas - einen Namen scheint das Opfer staatlichen Rassismus, ließt man die dürre Meldung in der Presse darüber, ohnehin nicht zu haben. Wenn allerdings der Sohn eines ehemaligen US-amerikanischen Präsidenten, der schon zu blöd war, seinen Geheimdienst ein erfolgreiches Attentat auf Fidel Castro durchführen zu lassen, seinerseits zu blöd ist, sein Flugzeug samt Gattin und Schwägerin vernünftig übers Meer zu fliegen, fällt die gesamte westliche Welt in ein derart kollektives Greinen über den Verlust dieser wundervollen Menschen, dass Diana, die Prinzessin der Herzen und Brückenpfeiler, wahrscheinlich vor Eifersucht in ihrem Grab rotiert.

Nicht vor Eifersucht, sondern vor Fassungslosigkeit werden diejenigen rotieren, die mit halbwegs kühlem Kopf die Diskussionen der Kieler Linken anlässlich des Kosovo-Krieges verfolgt haben. Anstatt einzusehen, dass es bei manchen Konflikten mal nicht um vorschnelle Parteinahme geht, sondern eher um das Begreifen der Zwecke, die dahinter stehen, gefiel sich ein recht großer Teil der norddeutschen Anti-MilitaristInnen in der Suche nach "den Guten" des Konflikts, denen man seine Solidarität versichern kann, und in moralischem Lamento über andere KriegsgegnerInnen, "die man sich erst sehr, sehr genau anschauen" werde, bevor man ein strategisch-taktisches Bündnis mit ihnen eingeht. Wer nach solchem Selbstverortungs-Zirkus weder die Mühen der Erkenntnis, noch die Lektüre von knochentrockener, aber angenehm verständlicher marxistischer Analyse über Krieg und andere Formen kapitalistischer Herrschaftssicherung scheuen möchte, dem seien die wöchentlichen Analysen des GegenStandpunkt-Verlags ans Herz gelegt. Einfach im Internet zu http://www.home.link-m.de/lora/gegenstp/ gehen und 'runterladen.

(cs)