Kommentar

Der übernächste Krieg

Die Seidenstraße ist bei Politikern zwischen Lissabon und Peking groß in Mode. Im Sommer 98 traf man sich in Baku, um das Projekt eines "europäisch-kaukasisch-asiatischen Transportkorridors" auf den Weg zu bringen. Genau genommen handelt es sich um eine zerschnittene Seidenstraße, denn es geht nicht um die Verbindung nach China, sondern zu den Öl- und Gasfeldern Zentralasiens. Die sollen für den europäischen (und chinesischen Markt) zugänglich gemacht werden. Zerschnitten auch deshalb, weil China in Baku nur als Zaungast anwesend war und seinerseits eigene Projekte vorantreibt. Geplant ist u.a. eine 3.000 Kilometer lange Pipeline von Kasachstan in die Volksrepublik. China ist also eher Konkurrent als Kooperationspartner. Da trifft es sich gut, dass entlang des Weges von Peking nach Astana (Kasachstan) ein Minenfeld neben dem anderen liegt und wir unsere grünen Sprengmeister haben. Die werden mit Sicherheit demnächst das Selbstbestimmungsrecht turkmenischer und kasachischer Islamisten in Chinas Westprovinz Xinjiang Uigur entdecken. In Peking hat man jedenfalls die Lektion des Krieges gegen Jugoslawien sehr wohl verstanden und fragt besorgt, ob als Nächstes China an die Reihe kommt.

Doch so weit ist es noch nicht. Erst einmal muss das westliche Stück der "Seidenstraße" gebaut werden. Die wird durch den Kaukasus und Kleinasien sowie über den Balkan führen, immer schön an Russland vorbei. Das durfte in Baku die Verhandlungen von der Zuschauertribüne betrachten - angesichts dessen, dass es immerhin um seinen ehemaligen Machtbereich geht, ein bemerkenswerter Vorgang.

Nun sind strategische Handelsrouten nichts wert, wenn man sie nicht beherrschen kann. Das gilt heute, wie vor 3.000 Jahren, und ist u.a. in den Strategiepapieren der Bundeswehr nachzulesen. Verschiedentlich wurde bereits darauf hingewiesen, dass die jüngste NATO-Aggression auf dem Balkan auch in diesem Zusammenhang zu sehen ist. Dass es sich dabei nicht um eine spinnerte Idee linksradikaler Spökenkieker handelt, machte unlängst das Zentralorgan der deutschen Bourgeoisie deutlich. Am 26.7. hält ein Leitartikel der FAZ in Aufschluss reicher Weise Ausschau nach weiteren Herden "krisenträchtiger Vielvölkerschaft" und stößt dabei auf den Kaukasus.

Dort hat der georgische Präsident Schewardnadse den Vergleich zwischen dem Kosovo und Abchasien gezogen, von wo nach einem Seperationskrieg 200.000 Georgier vertrieben wurden. Es gibt da allerdings noch das Problem, dass Russland sich auf dem Kaukasus als Ordnungsmacht versteht und mit Armenien einen engen Verbündeten besitzt. Daher sei die Vorstellung, Schewardnadse könne demnächst die NATO zur Hilfe rufen, ein Alptraum. Dennoch dürfe man nicht vor der Wirklichkeit fliehen, denn: "Zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer stehen auch europäische Interessen auf dem Spiel."

(wop)