Kultur

Tod in Kiel

Während Zurwehme, der Mörder von Remagen, sich in niedersächsischen Maisfeldern versteckt und so das Sommerloch füllt, kann man sich in Kiel trefflich mit Lokalkolorit-Krimis langweilen.

"Auf der Dammstraße sahen Meyer und Paulsen das Fluchtfahrzeug zum ersten Mal seit dem Papenkamp wieder. (...) Der Fluchtwagen bog in die Haßstraße ein, rumpelte über das Kopfsteinpflaster, kam auf die Fußgängerzone, überquerte den Alten Markt und raste die Holstenstraße hinunter. Dann bog er rechts in den Holstenwall ein. (...) Paulsen blickte in den Rückspiegel und sah den Streifenwagen um die Ecke biegen. Sie fuhren über die Bergstraße und den Dreiecksplatz in die Holtenauer Straße, von da in die Schauenburger Straße, und dann verlor Paulsen die Orientierung. (...) 'Sofort Straßensperren am Hindenburgufer und an den Ministerien aufbauen', sagte Paulsen ins Mikrofon."

Dieser Abschnitt, in dem bei einer abstrusen Verfolgungsfahrt sämtliche Kieler Straßen durchrast werden, ist so ziemlich das einzig Aufregende an "Die Täuscher", einem in Kiel angesiedelter Krimi, der alles ist, nur nicht "intelligent und fernab aller Klischees", wie der Bastei-Lübbe Verlag im Klappentext verspricht. Melanie, die Chefsekretärin der Landeszentralbank, und Hinrich, der mit seiner Philosophie-Dissertation nicht fertig wird, lernen sich auf Seite 7 im Nachtcafé kennen und planen bereits 3 Seiten später, einen Laden im Sopienhof anzumieten, um von dort aus einen Tunnel zu Melanies Arbeitsstätte, genauer zum dortigen Tresor, zu buddeln. Das Startkapital für diesen "atemberaubenden Coup" wird - na klar - durch einen Überfall auf den Citti-Markt besorgt. Da 351 Seiten aber gefüllt werden wollen, tauchen dabei natürlich diverse Probleme auf, etwa in Form des Chefprogrammierers der Frankfurter Zentralbank, der einfach irgendeinen angeblich wichtigen Zahlencode nicht verraten möchte, oder als Superlude vom Kieler Hafen, der unsere Amateur-Kriminellen unter erheblichen Druck setzt. Aber alles halb so schlimm: Für das Gelingen des Projekts setzt Melanie diverse Male ihren Körper ein und alles wird gut. Denn: "Für sie waren Sex und Raub in jenen ersten Monaten fast eins, wie ein unstillbarer Hunger auf mehr und immer mehr, ein Durchbruch, ein Sich-Losreißen von allen Fesseln des Alltags."

Nicht ganz so grausam kommt Bernd Michels' Krimi "Laubenleiche" daher. Die Idee des ehemaligen Engholm- und MfS-Mitarbeiters Michels, der vor zwei Jahren bei der Lesung seines Erstlings "Mafiakind" anläßlich der Kriminacht im Alten Botanischen Garten einen sehr sympathischen Eindruck hinterließ, hat auch viel für sich: Den eigenartigen Selbstmord auf Bestellung des Düsternbrooker Unternehmerpaares Geraerts mit etwas Kieler Woche Atmosphäre und Anekdoten aus dem NDR-Funkhaus und der Landespolitik aufzupeppen und zu einem flockigen Doku-Drama zu verwursten. Streckenweise gelingt Michels dies auch, für Strand und schlaflose Nächte geht "Laubenleiche" daher auch in Ordnung. Penetrant nur der gelegentlich auftauchende schale Alt-Herren-Humor und der Zwang, alle Orte, Straßen und Personen in Kiel mit bescheuerten, ähnlich klingenden Alias-Namen zu belegen (bei Michels kann man nicht vom NDR-Gebäude ins "Quadrat" schauen, sondern von "RK1" ins "Oval").

Dann schon lieber Helga Riedels wunderbar unprätentiösen, sehr atmosphärischen Krimi "Wiedergänger" von 1984. Ohne groß zu irgendwelchen Frauen-Krimi- bzw. Morden-im-Norden-Reihen gehören zu wollen, fesselt diese Story von einer Frau, die sicher ist, ihren verstorbenen Mann in der Gegend von Kappeln gesehen zu haben.

(cs)