Betrieb & Gewerkschaft

Dokumentiert:

Stellungnahme der Gewerkschaft HBV zum Niedriglohn

Die stagnierende Massenarbeitslosigkeit ist unerträglich. Erstes Ziel sind mehr Arbeitsplätze. Das ist die große Herausforderung, vor der wir stehen. Wir brauchen Bewegung auf dem Arbeitsmarkt.Dabei darf es grundsätzlich keine Denkverbote und Tabus geben: Das gilt auch für das Thema "intelligente Arbeitszeitpolitik". Arbeitszeitverkürzung in allen ihren Spielarten ist unseres Erachtens viel zu schnell beiseite gelegt worden. Die gängigen Arbeitsmarktinstrumente müssen auf ihren Erfolg und ihre Praktikabilität hin überprüft, bewertet und weiterentwickelt werden. Der Evaluierungsprozess der Arbeitsmarktinstrumente läuft seit einigen Jahren. Die Ergebnisse zeigen: je spezifischer und zielgruppenorientierter, desto erfolgreicher. Neue Instrumente zur Belebung des Arbeitsmarktes müssen auf diese aktuellen Ergebnisse aufbauen. Daher halten wir es für falsch, mit dem Füllhorn übers Land zu ziehen und nahezu grenzenlos "alles" unterhalb von 3.000 oder 2.500 Mark zu subventionieren - wie es Wolfgang Streeck, wie es auch die Benchmark-Arbeitsgruppe zum Bündnis für Arbeit vorschlagen hat. Mit 15 bis 30 Mrd. zusätzlichen Kosten ist es zudem schlicht nicht bezahlbar.

Die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen lehnt eine Ausweitung des Niedriglohnsektors durch Lohnsubventionen ab. Zentrale Annahmen, auf denen das Konzept beruht, halten wir für falsch. Ursache der Massenarbeitslosigkeit in Deutschland ist die anhaltende ökonomische und strukturelle Krise - und nicht ein mangelhaft entwickeltes Anreizsystem oder eine zu geringe Lohnspreizung.

Durch Lohnsubventionen ist keine Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze in einer spürbaren Größenordnung zu erwarten. Massive Mitnahme- und Verdrängungseffekte werden zu einer Ersetzung bestehender Arbeitsplätze und zu einer Absenkung des Entgeltniveaus führen. Subventioniert würden z.B. im Einzelhandel die Großunternehmen, die bereits heute über Niedriglöhne und aggressive Preiskonkurrenz den Abbau von Arbeitsplätzen vorantreiben. Negative Auswirkungen auf das gesamte Tarifgefüge können aufgrund der entstehenden Sogwirkung nicht ausgeschlossen werden. Die prognostizierten Kosten in einer Größenordnung von 30 Mrd. DM könnten nur durch Steuererhöhungen (Mehrwertsteuer) bzw. Streichungen bei den bisherigen allgemeinen und zielgruppengerichteten Arbeitsmarktförderprogrammen sowie durch strukturelle Eingriffe in die Arbeitslosenhilfe gegenfinanziert werden. Dies wäre arbeitsmarktpolitisch jedoch kontraproduktiv. Im Gegensatz zur notwendigen Debatte über den Abbau von Unternehmenssubventionen würden neue Subventionen geschaffen.