Flüchtlinge

Grenz-Happenings

Offene-Grenzen statt Festung Europa

Von den länderweiten Grenzcamps, die zeitgleich stattfinden und auf die Abschottungspolitik kapitalistischer Staaten aufmerksam machen sollten, blieben nur jenes in Lückendorf an der deutsch-tschechisch-polnischen Grenze (das nach anfänglichen Schwierigkeiten nach Zittau verlegt werden musste) und jenes an der deutsch-dänischen Grenze in Flensburg übrig. Letzteres stellte den Höhepunkt einer mehrwöchigen Veranstaltungsreihe im Raum Hamburg und Schleswig-Holstein dar. Dabei kann das Bündnis der veranstaltenden antirassistischen Gruppen mit dem Verlauf des Wochenendes 6. bis 9.8. durchaus zufrieden sein. Ungefähr 120 Leute aus verschiedenen Städten nahmen an symbolischen Aktionen teil.

(Fotos: wop)

Die deutsch-dänische Grenze ist seit Jahrzehnten für die Bürger auf beiden Seiten ein Musterbeispiel für eine grüne Grenze, die sie oft und problemlos überqueren. Für Flüchtlinge ist sie hingegen eine gefährliche Falle auf dem Weg nach Skandinavien. Da Deutschland und Dänemark einander als sicheres Drittland ansehen, haben Flüchtlinge kaum eine Chance, die Grenze legal zu überschreiten, um beim Nachbarn Asyl zu beantragen. Wer es dennoch versucht und erwischt wird, wird zurückgeschoben und landet oftmals direkt in der Abschiebehaft.

In den letzten Jahren sind im Norden beiderseits der Grenze die Kontrollen erheblich verstärkt worden. Sowohl der Bundesgrenzschutz als auch die dänische Grenzpolizei wurden aufgestockt und patroullieren vermehrt im Hinterland. In Schleswig-Holstein gibt es seit dem Frühjahr regelmäßige Verdachts unabhängige Kontrollen auf den Autobahn-Raststätten Richtung Norden. In der Praxis heißt das, dass Wageninsassen allein wegen ihres Aussehens als Verdächtige behandelt werden.

Mit etwas Verzögerung stand am Freitag Abend das Zeltlager in der Flensburger Innenstadt, direkt an der Förde: Ein Informationszelt, ein Zelt für die SanitäterInnen, ein Frauenzelt und zwei Großraumzelte (120 qm), von denen eines als Versammlungsbereich genutzt wurde. Schon zum Auftaktplenum am selben Abend hatten sich ca. 80 TeilnehmerInnen eingefunden. Nach einem gemeinsamen Essen wurde der geplante Ablauf des Wochenendes vorgestellt. Enttäuschend war allerdings die Nachricht, dass die GenossInnen aus Dänemark die gemeinsam geplante Aktion an der Grenze unerwartet absagten und dass sie sich auch sonst nicht blicken ließen.
Am Plenum zum Tagesauftakt am Samstag nahmen dann bereits über 100 Menschen teil. Die meisten davon machten sich zu einer Demonstration in die Innenstadt auf. In T-Shirts mit einem dem BGS-Emblem ähnlichem Abzeichen auf der Vorderseite sowie der rückwärtigen Aufschrift "Menschenjäger" wurden "Vorläufige Aufenthaltsgenehmigungen" an die Passanten und die Shopping-Gesellschaft verteilt. An der Gebäudefassade einer Kaufhauskette wurde das Transparent "kein Mensch ist illegal" heruntergelassen. Leider kam es im Anschluss an diese Aktion zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, die sich, u.a. gestört vom Ausspruch "Menschenjäger", auf einen Kameramann aus dem Camp stürzte, diesen mit sich schliff und ihn sowie drei weitere Personen festnahm. Bei diesem Überfall zerbrach auch die Kamera, der Film jedoch gelangte nicht in die Hände der Polizei. Nach kurzer Zeit wurden die vier Leute wieder freigelassen.
Viel harmloser verlief hingegen die Demonstration an der deutsch-dänischen Autobahnüberfahrt Ellund. Hier wurden Schilder eingeschlagen, auf denen Namen von einzelnen bei Fluchtversuchen ums Leben gekommenen Menschen geschrieben standen. Es wurden Sprüche wie "Abschiebung ist Folter, Abschiebung ist Mord" gerufen, an die im Auto Vorbeireisenden Campzeitungen verteilt und anschließend wieder im Konvoi abgezogen. Zeitgleich führten einige Frauen eine Befragung von PassantInnen in der Flensburger Innenstadt durch.

Nach dem ersten Teil des Camps bestand bereits ein großer Diskussionsbedarf, der in Anbetracht der Zeit nur ungenügend erfüllt werden konnte. Und auch bei der für Samstag Abend angesetzten Diskussion über die Bedeutung von "offenen Grenzen" dauerte es einige Zeit, bis mensch sich über Begrifflichkeiten geeinigt hatte und über den eigentlichen Inhalt einiger vorgestellten Thesen reden konnte.

Für den letzten Tag war eine Kutterfahrt angesetzt, auch hier waren wieder die Transparente dabei. Aufgrund des regnerischen kühlen Wetters fielen die Wasser-Spiele ins selbige; das gemietete Schiff steuerte jedoch wie geplant den Ort Wassersleben an. Dort wurde vorübergehend ein Grenzwanderweg, bestehend aus Informationstafeln zur Grenzmisere, aufgebaut. Während des gesamten Wochenendes wurde die eigens für dieses Camp erstellte Zeitung "Open Borders" an interessierte Schaulustige verteilt; einige TeilnehmerInnen des Grenzcamps nahmen anschließend auch Exemplare in ihre Stadt mit. Mit einem letzten gemeinsamen Essen und einem Abschlussplenum wurde das Grenzcamp in Flensburg beendet. Die Unermüdlichen jedoch machten sich auf den Weg zum Grenzcamp in Zittau.

An den Grenzen zu Polen und der Tschechischen Republik, wo schon mancher Flüchtling in der Oder ertrunken oder im winterlich verschneiten Gebirge erfroren ist, sind die Verhältnisse noch schlimmer als an der deutsch-dänischen Grenze. Daher sollte mit einem zweiten, größeren Grenz-Camp auch in Zittau im Dreiländereck auf das tödliche Grenzregime aufmerksam gemacht werden. Rund 500 Menschen kamen vom 7. bis zum 15.8. in die sächsische Grenzstadt, darunter - anders als in Flensburg - sogar ein paar nicht Deutsche.

In Zittau hatten die örtlichen CDU-Größen viel Schweiß drauf verwandt, die Aktionenen zu verhindern. Erfolglos: Nach einigem Hin-und-Her um die Frage, wo das Camp denn nun aufgebaut werden kann, gab es eine Reihe bunter Happenings in der Innenstadt und an der Grenze. U.a. wurde eine BGS-Kaserne blockiert und versucht, eine Gegenaktion der NPD zu verhindern. Da war allerdings die Polizei davor, die mit erheblichen Einsatz die Nazis vor den Campern "schützte". Die Beamten erließen nach Augenschein Platzverbote für die gesamte Zittauer Innenstadt.

Etwas unsäglich war das Motto, mit dem auf einigen Plakaten für das Camp geworben wurde: "Keine Grenze ist ewig". Das hätte auch die NPD unterschreiben können.

(us, wop)