Soziales

Doch keine Vermögenssteuer

Die hiesige SPD hat ein Problem: Im Februar sind Landtagswahlen, und die Umfrage-Ergebnisse sind katastrophal. In Berlin scheint man der Ansicht, das S im Parteinahmen steht für "Standort", was zwar bei den Auftraggebern ganz gut ankommt, bei den Wählern allerdings weniger. Um das Maß voll zu machen gerieren sich die christdemokratischen Umverteiler inzwischen, da in der Opposition, als Retter der Witwen und Waisen. Man braucht also ein wenig soziales Profil, will man am 27.2.2000 nicht gänzlich untergehen.

Gesagt getan. Ende Juli brachte die standortdemokratische Fraktion zusammen mit den Kollegen von den Olivgrünen einen Antrag im Landtag ein, der die Regierung Simonis auffordern sollte, auf Bundesebene eine Initiative zur Wiedereinführung der Vermögensteuer zu starten. Die war 1997 von der alten Bundesregierung abgeschafft worden. Ein erster Erfolg der Aktion stellte sich sogleich ein: Man machte für einige Tage bundesweit Schlagzeilen.

Zwei Wochen später kam dann der Rückzieher. Es habe sich gezeigt, dass sich unter den Bundesländern kein Konsens für ein einheitliches Vorgehen herstellen lasse, hieß es auf einmal. Man habe nie vorgehabt, die Steuer im Lande im Alleingang wieder einzuführen. Das sei zwar rechtlich möglich, würde aber "einen mittelalterlichen Steuer-Flickenteppich" bedeuten, was nicht im Interesse einer auch EU-weit auf Harmonisierung der Steuern ausgerichteten Politik liege. Der SPD Landesvorsitzende Franz Thönnes hatte sich mit dem Chef der Landtagsfraktion Lothar Hay auf den Schritt geeinigt und war an die Presse gegangen, ohne mit den Grünen zu sprechen.

Bei denen stieß der abrupte Rückzug der Sozialdemokraten "in der Form" auf Unverständnis. Man sei "befremdet" darüber, dass der gemeinsame Antrag ohne vorherige Absprache zurückgezogen worden sei. "Die Fraktionsspitzen werden darüber sprechen müssen, dass ein solcher Vorgang sich nicht wiederholt", hieß es dazu von der grünen Fraktionsvorsitzenden Irene Fröhlich. So ganz ungewöhnlich ist das Vorgehen der SPD-Spitze allerdings nicht. Die Sozialdemokraten mussten vor drei Jahren im Landeshaus erstmals die Macht mit den Grünen teilen, nachdem sie in den Landtagswahlen ihre bisherige absolute Mehrheit verloren hatten. Besonders Ministerpräsidentin Simonis hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass es sich bei der Koalition eher um ein Zweckbündnis als eine Liebesheirat handelt, und lässt seitdem gerne einmal ihre Geringschätzung für den Juniorpartner durchblicken.

Thönnes und Hay betonen indes, dass es ihnen nach wie vor darum gehe, die Akzeptanz für das Steuersystem beim Bürger durch stärkere Besteuerung der Reichen zu erhöhen. Sie wollen sich jedoch auf die Erbschaftssteuer verlegen. Eine zweite Stufe für besonders große Privatvermögen müsse her. Sie denken daran, Nachlässe ab einer Erbmasse von einer Million DM stärker als bisher zu belasten. Betriebsvermögen wollen sie allerdings ausdrücklich ausgenommen wissen, um den Fortbestand von Unternehmen nicht zu gefährden. Das sei der geeignetere Weg, "um unsere Forderung nach einer sozial gerechten Steuerpolitik nachzukommen". Offensichtlich haben sich Hay und Thönnes gedacht, dass über die Erbschaftssteuer die Wahrscheinlichkeit größer ist, noch vor dem Wahltermin vorzeigbare Erfolge zustande zu bringen.

(wop)