Betrieb & Gewerkschaft

Reeder hungert Besatzung aus

Eine solche Unverfrorenheit ist auch Ulf Christiansen noch nicht untergekommen. Seit Ende Juli liegt das Küstenmotorschiff "Verona" im Hamburger Hafen, von der Reederei offensichtlich aufgegeben, die neunköpfige Besatzung ohne Heuer und Verpflegung ihrem Schicksal überlassen. Christiansen ist in der Hansestadt für derartige Fälle zuständig. Er arbeitet für die Internationale Transportarbeiterföderation (ITF), der neben der deutschen ÖTV einige Hundert weiterer nationaler Verbände angehören. Verlassene Schiffe und nicht gezahlte Heuern gehören zu Christiansens Job. Weltweit rund 200 Fälle hat die ITF in den vergangenen drei Jahren gezählt, in denen sich die Eigner vor der Verantwortung zu drücken suchten.

Doch was sich die schwedische Arko Shipping mit dem Kümo "Verona" leistet, ist schon etwas besonderes. Am 27.7. war das Schiff kurz nach dem Auslaufen auf der Elbe von der Wasserschutzpolizei gestoppt worden. Es bestand der dringende Verdacht, die Ladung - Raps im Wert von 604.000 DM - sollte unterschlagen werden. Deren Eigner hatte den Frachtauftrag einige Tage zuvor zurück gezogen und den Reeder aufgefordert, wieder zu löschen. Grund waren schwerwiegende Sicherheitsmängel an Bord, die von der See-Berufsgenossenschaft bei einer Inspektion festgestellt worden waren.

Auf Anweisung der Wasserschutzpolizei musste die Verona wieder in Hamburg fest machen. Der Kapitän wanderte für eine Nacht in die Arrestzelle. Wie sich später herausstellte, hatte sein Arbeitgeber ihn nicht über die Rücknahme des Auftrags informiert. Der erschien dafür einige Tage später an Bord und baute sämtliche Funkgeräte und andere Kommunikations-Elektronik aus. Mit einem deftigen Fluch soll er sich von der Besatzung verabschiedet haben.

Die sitzt seitdem auf dem Trockenen, doch leider nur im übertragenem Sinne: Weil keiner die Liegegebühren übernimmt, kann die "Verona" nicht am Pier festmachen, sondern liegt an Dolden mitten im Hafenbecken. Die acht Seeleute - vier Filipinos und vier Polen - und ihr Kapitän können das Schiff nur mit Hilfe von außen verlassen, denn das Rettungsboot der "Verona" lässt sich nicht wassern. Das war auch einer der Mängel, die die Genossenschaft zuvor moniert hatte. In Sachen Verpflegung ist die Crew ebenfalls auf Hilfe angewiesen, denn die Vorräte an Bord sind längst aufgebraucht. Also organisiert die "Hamburger Tafel", eine Hilfsorganisation für die Obdachlosen der Hansestadt, täglich Nahrungsmittelpakete, die die Wasserschutzpolizei vorbei bringt.

Aufgeben wollen die Neun trotzdem nicht. Die schwedische Reederei, die das Schiff über eine Briefkasten-Firma auf Malta betreibt, schuldet die Heuer in Höhe von 75.000 US$. Den Seeleuten bleibt nur, so lange an Bord auszuharren, bis das Geld überwiesen wird. Das Schiff ist ihr einziges Faustpfand. Würden sie in ihre Heimatländer abreisen, könnten sie die Heuer höchst wahrscheinlich in den Schornstein schreiben.

Für die ITF ist die "Verona" ein alter Bekannter. Bereits im März musste das Schiff eine Zeit lang in einem britischen Hafen festgehalten werden, bis die Heuer für die vorige Besatzung überwiesen war. Um 109.000 US$ ging es seinerzeit.

In Hamburg bereitet der ITF-Inspektor derweil ein juristisches Verfahren gegen den Reeder vor. Nach über drei Wochen, so Christiansen, habe Arko Shipping Gesprächsbereitschaft signalisiert, doch gefolgt sei darauf noch nichts. An Bord der "Verona" räumt zwischenzeitlich der Smutje aus purer Langerweile die Pötte von der einen Ecke in die andere. Die Untätigkeit ist bedrückend, und v.a. die Filipinos plagt zusätzlich der fehlende Kontakt zu den Familien daheim, von denen manche keinen Telefonanschluss haben. Doch aufgeben will vorerst niemand.

(wop)