KERNspalte

Das Y2K-Syndrom verschont auch deutsche Atommeiler nicht. Der Jahrtausendsprung überfordert die interne Datumsdarstellung von einigen Rechnern offenbar auch in Schleswig-Holstein, wie der "Spiegel" meldet. Zwar sei die zentrale Technik überwiegend Relais-gesteuert und nicht unter Computer-Regie, aber auch Randbereiche wirken in die Funktion des Gesamtkomplexes hinein. Das zeigte sich auch im AKW Krümmel bei einer Simulation, wo der Kernüberwachungsrechner (prüft den Abbrand der Uranstäbe) und ein Abgasrechner verrückt spielten. Sie wurden ausgetauscht. In Brunsbüttel sei ein "einmaliger Eingriff zum Jahreswechsel erforderlich". In Neckarwestheim fürchtet man sogar um die Funktion der Drehkreuze am Kraftwerkseingang, falls hier stundenlang der Zugang zum Reaktor verwehrt wird.

Die Anlieferung des leeren Excellox-6-Behälters am 12.8. wurde allerdings nicht von Drehkreuzen, sondern von Störaktionen behindert. Eine erste Blockade in Saarbrücken hielt ihn 20 Minuten auf, eine zweite in Bietigheimbeim ca. 30 Minuten. Beim Umladen im Kohlekraftwerk Walheim wurden die Polizeikräfte mit einem Fahrradschloß eingeschlossen, und auch der noch leere Tieflader wurde über zwei Stunden aufgehalten. Der Brennelement-Behälter erreichte sein Ziel schließlich, eine Transportgenehmigung gibt es aber noch nicht.

Die gab es dagegen für das Schweizer AKW Gosgen. Der Abtransport von 12 abgebrannten BE per Bahn nach La Hague am 1.9. wurde von angeketteten Greenpeace-AktivistInnen zwei Stunden aufgehalten. Am Ende wurden 6 Personen festgenommen.

In Stade will die PreussenElektra ein Zusatzgestell für 43 zusätzliche abgebrannte Brennelemente im Abklingbecken anbringen lassen, da bei weiterem Transportstopp sonst die Anlage abgeschaltet werden muss. Die Betreiber bezeichneten diese Änderung als "unwesentlich". Nach Ansicht des niedersächsischen Umweltministeriums wird ihnen das auch nicht helfen, da die Änderung als so wesentlich eingestuft wird, dass auch die uralte (30 Jahre) Genehmigung für die vorhandenen Vorrichtungen nach dem neusten Stand der Technik überprüft werden müsse und nicht einfach verlängert werden könne. Falls eine öffentliche Anhörung notwendig wird, kann sich das Verfahren mehr als zwei Jahre hinziehen.

Mit mehr als 50 Traktoren forderte die Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus" am 25.8. bei einer Wahlkampfveranstaltung der Grünen den Rücktritt von Umweltminister Trittin. Ein Sprecher der Initiative bezeichnete die Politik Trittins als "Hinhaltetaktik" und kündigte "erbitterte Gegenwehr" für den Fall weiterer Castor-Transporte an.

Mit einer Aktion vor dem AKW Obrigheim (Baden-Württemberg) demonstrierten Robin-Wood-Aktivisten am 3.9. für die sofortige Stillegung des ältesten deutschen AKWs. Obrigheim gehört der EnBW, die mit ihrer Tochter "Yello Strom" zu Dumpingpreisen den liberalisierten Strommarkt erobern will - natürlich auf der Basis von Atomstrom aus Baden-Württemberg und Frankreich.

Am 25.9. veranstaltet die Anti-AKW-Bewegung einen Aktionstag am AKW Lingen (Emsland - von Kiel ca. 3 Fahrstunden). Anlass ist das Genehmigungsverfahren für das erste standorteigene Zwischenlager unter Rot-Grün. Die atomrechtlich notwendige Auslegungs- und Einwendungsfrist läuft noch bis zum 1.10. Mit der Erteilung der Baugenehmigung für die Halle selbst ist in diesem Jahr zu rechnen, also schon vor Ende des atomrechtlichen Verfahrens. Dieses Vorgehen wurde auch in Ahaus angewandt. Die in der Halle geplanten 130 Castor-Stellplätze reichen für die Brennelemente aus etwa 50 Jahren Reaktorbetrieb. Das zeige nach Ansicht des Aktionsbündnisses Lingen, dass dieses Lager nicht, wie öffentlich verkündet, dem Ausstieg aus der Atomkraft dient, sondern dem langfristigen Weiterbetrieb der AKW. Teile der Demonstranten wollen schon Freitagabend zum Camp anreisen, geplant sind am Samstagvormittag Öffentlichkeitsaktionen in der Lingener Innenstadt und auf dem Wochenmarkt, um 13 Uhr eine Auftaktkundgebung vorm Tor des AKW (leider etwas abgelegen), anschließend Aktionen rund um die Atomanlagen. Die Abschlusskundgebung soll um 18.30 Uhr in Ellbergen stattfinden - dort kann man das Castor-Transportgleis begutachten. Im Camp gibt's dann noch Live-Musik und Open-Air-Kino. Spendenkonto: Nr. 108335000, BLZ 28069494 (VB Spelle).

Die Jeetzel-Brücke, über die Castortransporte mit der Bahn nach Dannenberg rollen sollen, kann zum Ärger der BLG (Brennelement-Lager-Gesellschaft Gorleben) nicht vor Herbst 2000 renoviert sein. Dies teilte ihnen die Deutsche Bahn AG mit. Das Innenministerium in Hannover lehnte einen Straßentransport auf diesem Stück aus Sicherheitsgründen ab. Eine Äußerung der französichen Regierung, die bis Ende des Jahres 6 WAA-Abfallbehälter loswerden will, liegt noch nicht vor. Die Graswurzelgruppe Kiel schloss aus diesen Informationen am 9.9. auf ihrer Veranstaltung in der Pumpe, dass ein nächster BE-Transport, vielleicht noch in diesem Jahr, nur nach Ahaus oder von einem AKW zur WAA La Hague gehen kann. Sie unterstützen die X-1000-mal-quer-Kampagne, mit der dieser nächste Transport auf jeden Fall behindert werden soll, da hier erstmals die Chance bestehe, ein AKW vom Netz zu blockieren. Ihrer Meinung nach ist mit einem Transport zu rechnen, da Kanzler Schröder den Betreibern mündlich garantiert hat, dass kein AKW wegen des Transportstopps vom Netz gehen müsse.

Schröder plant offenbar schon wieder ein neues Atomprojekt im Ausland. Nach Ukraine und Slowenien darf jetzt die Türkei auf deutsche Beihilfen beim Bau des AKW "Akkuyu" hoffen - mitten in einem erdbebengefährdeten Gebiet, aber dafür mit Siemens-Technologie. Greenpeace forderte eine Abkehr von solchen Atomtechnik-Exporten.

In einem Stück entsorgt wurde in den USA der Druckbehälter des abgeschalteten AKW Trojan. 1.000 Tonnen und 13 mal 5,2 Meter Stahl, in Beton eingegossen, passierten auf dem Wasserweg die Großstadt Portland und wurden auf dem großflächig verseuchten Ruinengelände der ehemaligen Plutoniumfabrik Hanford (Staat Washington) zur ewigen Ruhe gebettet (d.h. verbuddelt).

Ebenfalls verstrahlt ist offenbar 13 Jahre nach Tschernobyl immer noch der Bayerische Wald. Untersuchungen an Wildfleisch zeigten in 48 Forstbezirken Spitzenwerte von bis zu 60.000 Becquerel Cäsium pro Kilogramm. Wildschweine waren besonders belastet.

(BG)