Kommentar

Osttimor ist nicht Kosovo

Die UNO wird aller Voraussicht nach kurz nach Auslieferung dieser Ausgabe eine Truppe zur Friedenserhaltung nach Osttimor schicken. Auch Außenminister Fischer hatte letzte Woche einen derartigen Einsatz gefordert.

Bei einigen Linken hatte das einen Reflex ausgelöst: "Aha, nach dem Kosovo jetzt Osttimor." Doch der Vergleich ist in jeder Hinsicht falsch. 1. Osttimor ist kein Bestandteil Indonesiens sondern wurde von diesem 1975 völkerrechtswidrig besetzt. 2. Die an der internationalen Truppe beteiligten Staaten verfolgen in Osttimor keine eigenen imperialen Interessen sondern sind (enge) Verbündete des Regimes in Jakarta. Und drittens muss Indonesien nicht erst für deutsche Exporte und Investitionen freigebombt werden. Deutschland ist einer der wichtigsten Handelspartner des Landes.

Wenn schon, dann kann man eher den Vergleich mit Kurdistan anstellen. So wie die Türkei trotz Militärputsch, Folter und Vertreibungspolitik im türkischen Teil Kurdistan sich beständiger deutscher Militärhilfe erfreuen kann (auch unter der neuen Regierung), so haben sozialdemokratische wie konservative Regierungen stets enge militärische Beziehungen zu dem blutigsten Regime Asiens unterhalten. In den zweieinhalb Jahrzehnten seit dem Einmarsch indonesischer Truppen nach Osttimor sind dort rund 200.000 Menschen ermordet worden. Das hielt bisher keine Bundesregierung davon ab, Indonesiens Armee und Marine auszurüsten. Neben U-Booten aus Kiel gab es rund drei Dutzend Schiffe aus Restbeständen der NVA und natürlich jede Menge Fahrzeuge von DaimlerChrysler, auf denen die Armee zu Einsätzen gegen Demonstranten gekarrt wird. Auch Armee- und Polizeioffiziere wurden ausgebildet. So erhielt z.B. der Suharto-Schwiegersohn Prabowo Anfang der 80er eine mehrmonatige Schulung bei der GSG9. Prabowo war später Kopf einer Spezialeinheit der Armee und verantwortlich für Entführungen, Folterungen und Ermordungen von Oppositionellen. Die neue Bundesregierung ließ sich selbst von den von Teilen der Armee angestifteten Pogromen gegen die chinesische Minderheit im Mai letzten Jahres nicht davon abhalten, weiter Kontakte zu Militär und Polizei zu pflegen. Schließlich, so hieß es im Außenministerium, kann es ja nicht falsch sein, wenn die Indonesier von uns den demokratischen Umgang mit Demonstranten lernen.

Die Massaker, denen bisher bis zu 20.000 Menschen zum Opfer gefallen sind, kamen übrigens in keiner Weise überraschend. Menschenrechtler hatten gleich nach dem Abschluss des Abkommens über das Referendum vorausgesagt, dass es ein Blutbad geben könnte, wenn sich das Militär und die von ihm aufgebauten Milizen nicht zurückziehen. Die Bundesregierung war bereits im Juni gewarnt worden, blieb jedoch untätig. Um so zynischer ist es, wenn Staatssekretär Vollmer (der Mann galt noch vor einem halben Jahr als Linker!) sich hinstellt und nach Wirtschaftssanktionen gefragt antwortet: "Das sind privatwirtschaftliche Beziehungen, in die wir nicht ohne weiteres eingreifen können."

(wop)