MigrantInnen

Aufklären!

Interview mit José del Pozo, Migrant im neuen PDS-Vorstand

Unter den Neuen, die am vergangenen Wochenende in den PDS-Bundesvorstand gewählt wurden, ist auch José del Pozo aus Hessen. Der gebürtige Spanier lebt seit 1960 in Deutschland und gehörte 1975 zu den Mitbegründern der Grünen Liste Hessen, einem Vorläufer der Partei der Grünen. Von 1981 bis 86 arbeitete er in Madrid und beteiligte sich dort am Aufbau der Izqierda Unida (Vereinigte Linke) und an der Kampagne gegen den NATO-Beitritt Spaniens. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1986 versuchte er es noch einmal mit den Grünen, arbeitete dort in der Bundes-AG Migration, verließ die Partei aber nach einem Jahr, weil sozialistische Positionen immer mehr an den Rand gedrängt wurden. Vor drei Jahren fand er eine neue politische Heimat in der PDS. Mit José del Pozo sprach wop.

LinX: Acht Millionen Einwanderer und Flüchtlinge leben in der Bundesrepublik, die Mehrheit schon den größeren Teil ihres Lebens. In Westdeutschland sind rund 20% der Arbeiter ohne deutschen Paß. Doch in der PDS sind sie kaum vertreten. Wieso?

José del Pozo (JdP): Das frage ich mich auch gelegentlich. Für die Immigranten sind wir noch eine ziemlich neue Partei. Zum Teil sind sie bisher von der Sozialdemokratie vertreten worden. Viele sind Mitglieder der SPD gewesen, viele bei den Grünen: Wir sind neu in der politischen Landschaft und müssen uns ersteinmal immigrationspolitisches Profil erwerben. Auch sind viele - nicht nur uns gegenüber - mißtrauisch, daß sie nur für bestimmte politische Ziele benutzt werden sollen. Wir müssen damit ehrlicher umgehen. Wir müssen den Dialog suchen, denn der fehlt einfach noch.

LinX: Immerhin bekommt die PDS im Westen überdurchschnittlich viele Stimmen unter jenen Immigranten, die einen deutschen Paß haben. Wieso spiegelt sich das nicht in Mitgliedschaft und Vorstand wieder?

JdP: Doch, das spiegelt sich schon in der Mitgliedschaft. Wir haben in Hessen sehr viele Immigranten unter den Mitgliedern. Außerdem bilden sich jetzt Strukturen in der Partei, wie Landesarbeitsgemeinschaften Immigranten, Flüchtlinge und Antirassismus. In Hessen und in Westberlin fängt man z.Z. damit an. Ich denke, daß es wichtig ist, daß wir in der Partei diese Strukturen schaffen, in die sich die Migranten einbringen können. Deshalb brauchen wir auch AGs auf Länderebene, nicht nur eine Bundesarbeitsgemeinschaft. Wir müssen runter in die Länder.

LinX: Unter den Delegierten und Gästen des Parteitags konnte man die Einwanderer an einer Hand abzählen. Zwei von ihnen haben für den Vorstand kandidiert; gewählt wurden schließlich nur Sie.

JdP: Wir kommen ja aus zwei grundverschiedenen Kulturen, wenn man so will, der Osten und der Westen. Ayfer Diker hat es nicht in den Vorstand geschafft, was ich schade finde. Ich denke, es hätte der Partei nicht schlecht angestanden, wenn sich auch verschiedene Strömungen der Immigranten-Bewegung im Vorstand hätten artikulieren können. Wir wollten ja nicht gewählt werden, weil wir Immigranten sind, sondern weil wir innerhalb der PDS politisch für etwas stehen. In der Grundauffassung, gleiche Rechte, d.h. die Bürgerrechte, einzufordern und daß die Stellvertreterpolitik aufhören muß, stimme ich mit ihr überein.

LinX: Das heißt, daß Immigranten selbst für ihre Rechte kämpfen müssen?

JdP: Also, ich bin nicht der Meinung, daß wir uns ghettoisieren sollten, daß wir Immigranten alleine arbeiten müssen. In der Bundesarbeitsgemeinschaft arbeiten ja auch Deutsche mit, und das ist sehr wichtig, weil man gegenseitig ja voneinander lernen muß. Wir wollen nicht eine reine Immigranten-AG machen. Trotzdem denken wir, daß in den Strukturen der Partei und in den politischen Positionen zu Problemen wie der doppelten Staatsbürgerschaft oder Niederlassungs- und Einwanderungsrecht, die Immigranten mehr zu Gehör kommen sollten. Schließlich sind sie ja auch davon betroffen. Aber ich bin gegen eine Politik der Ghettoisierung und dieses Betroffenheitcharakters. Wir sind gemeinsam in einer Partei. Wir stehen alle für eine linke sozialistische Partei, und ich bin nicht in die PDS eingetreten, nur um Immigrations-Politik zu machen, sondern ich möchte mich in allen Bereichen einmischen. Außerdem geht es bei der Immigration um einen Bereich der Innenpolitik.

LinX: Und nicht des Internationalismus?

JdP: Nein, Internationalisten können wir ja auch sein, aber das ist ein anderes Thema: Wir gehören zum Bestandteil der innenpolitischen Problematik dieses Landes und so wollen wir angesehen werden.

LinX: SPD und Grüne wollen den Einwanderern ab der dritten Generation die Bürgerrechte zuerkennen - bei Wohlverhalten und politischer Unbedenklichkeit. Reicht Ihnen das?

JdP: Nein, überhaupt nicht. Da werden neue Hürden aufgebaut. Wir freuen uns, daß es einen Fortschritt gegenüber der Kohl-Regierung gibt. Aber dieses neue Gesetz sieht z.B. vor, daß, wenn ein Jugendlicher mal straffällig geworden ist, er dann nicht mehr eingebürgert werden kann. Einen Arbeitslosen, der entlassen wurde, weil sein Betrieb dicht gemacht hat, und der jetzt von Sozialhilfe lebt, darf man dafür doch nicht auch noch bestrafen. Man bestraft ihn sogar doppelt: zum einen mit der Arbeitslosigkeit, zum anderen wird ihm deshalb das Recht auf Einbürgerung verweigert. Das finden wir sehr ungerecht. Man stelle sich das einmal vor: Ein Deutscher, der von Sozialhilfe lebt, könnte nicht mehr Deutscher sein.

LinX: In Hessen, woher Sie kommen, geht die CDU mit einer Kampagne gegen Einbürgerung in den Wahlkampf. Was macht die PDS dagegen?

JdP: Es ist ganz wichtig, daß die Parteien, die für die doppelte Staatsbürgerschaft werben, zusammen mit den Gewerkschaften, den Kirchen und Immigranten-Organisationen eine Gegenkampagne starten, um die Leute aufzuklären. Doppelte Staatsbürgerschaft heißt ja nicht, daß man gleichzeitig in beiden Ländern lebt oder wählt. Man entscheidet sich zunächst für die deutsche Staatsbürgerschaft, aber man behält die Möglichkeit, falls man doch zurück will, dann dort die Staatsbürgerschaft wieder aktivieren zu können.

Die PDS hat auf ihrem Parteitag beschlossen, ab dem 24. Januar eine massive Kampagne zu starten, mit Plakaten, Flugblättern und Informationsständen. Meine erste Arbeit wird im Vorstand sein, diese Kampagne mit voranzutreiben, damit sich auch die Gesamtpartei da einbringt.

LinX: Umfragen zeigen, daß auch die Mehrheit der PDS-Mitglieder gegen die doppelte Staatsbürgerschaft ist. Was kann man da tun?

JdP: Aufklären! Da ist nicht nur die PDS gefragt, da sind alle sozialen Bewegungen, alle Demokraten gefragt, die es ehrlich meinen mit der doppelten Staatsbürgerschaft.

Es geht nicht darum, Einwanderer gegenüber den Deutschen zu privilegieren. Wir müssen diese Ängste, die geschürt werden, abbauen. Das ist unsere Aufgabe auch in der Gesellschaft, d.h. wir müssen raus aus unserem eigenen Ghetto, das wir uns manchmal selbst auferlegen. Mit diesen Umfragen müssen wir wohl erstmal leben.

LinX: Auch in der PDS erwartet Sie da offensichtlich einiges an Arbeit.

JdP: Deswegen ja auch unsere Kandidatur. Ich habe eigentlich gar nicht erwartet, gewählt zu werden. Ich wollte nur ein Zeichen setzen, um diese Politik, diese Diskussion in die Partei hineinzutragen. Nur, man kann sie nicht abgekoppelt von den neuen Ländern führen. Deswegen ist diese Programmdebatte, die wir in der nächsten Zeit führen werden, sehr wichtig, um Ängste auf beiden Seiten abzubauen und auch erstmal Verständnis für beide Positionen zu schaffen.

LinX: Welche Punkte wollen Sie in die Programmdebatte einbringen?

JdP: Wir müssen klären, was wir wollen: Ein Einwanderungsgesetz, das quotiert ist; ein Niederlassungsrecht nach einer bestimmten Zahl von Jahren, oder wollen wir die Diskussion um europäische Einbürgerung führen? Demnächst sind die Wahlen zum Europa-Parlament, zu der es ein PDS-Programm geben wird. Da sollten wir auch diese Diskussion führen. Man könnte die Gesetzgebung ja so gestalten, daß wir wegkommen vom Nationalstaatsgedanken, indem wir sagen, wir streiten für ein soziales und gerechtes Europa und für eine europäische Einbürgerung.

LinX: Was meinen Sie damit? Gleichbehandlung aller EU-Bürger oder ein europäisches Einbürgerungsgesetz?

JdP: Nicht nur die Gleichbehandlung aller EU-Bürger, sondern aller hier lebender Bürger. Denn viele Menschen, die hier leben, kommen nicht aus Europa bzw. den EU-Staaten. Und wir sollten keinen Unterschied zwischen Spaniern oder Italienern auf der einen Seite und z.B. Marokkanern, Eritreern, Türken oder Afghanen auf der anderen machen. Es sind Menschen, die hier leben, die hier ihren Lebensmittelpunkt haben, und die Rechte müssen für alle gelten. D.h. wir dürfen keine Mauern bauen und sagen, die Europäer sind bevorzugt, und die anderen sind Menschen zweiter oder dritter Klasse. Das wäre ziemlich diskriminierend.

LinX: Vielen Dank für das Gespräch.