MigrantInnen

SSW gegen Abschiebung von Kurden

Seit der Einreise des Vorsitzenden der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) Abdullah Öcalan nach Italien bis zum heutigen Tage ist immer noch unklar, ob die Chance, eine friedliche Lösung der kurdischen Frage in einer internationalen Friedenskonferenz mit allen Beteiligten zu erreichen, genutzt wird. Weiter werden in der BRD Kurdinnen und Kurden abgeschoben, obwohl immer offensichtlicher wird, daß hiermit oft mit dem Tod gespielt wird. Mitte Dezember z.B. ist in Kiel der Fall des 36-jährigen Dervis Garip bekannt geworden (LinX berichtete), der - obwohl als Oppositioneller presse- und fernsehbekannt - nach sechs Jahren Aufenthalt abgeschoben werden soll.

In dieser Situation ist der folgende Beschluß des Kreistags Rendsburg-Eckernförde vom 16.11.98, der vom SSW eingebracht wurde und mit 23 zu 20 Stimmen verabschiedet wurde, umso mehr zu begrüßen.

(dam)

Die SSW-Fraktion stellt folgenden Antrag: Der Kreistag möge beschließen:

Der Kreistag Rendsburg-Eckernförde fordert die Landesregierung auf, sich bei den entsprechenden Gremien auf Bundesebene dafür einzusetzen, die im Kreis lebenden kurdischen Flüchtlinge vor der Abschiebung zu schützen, u.a. indem sie sich dafür einsetzt, daß den Kurdischen Flüchtlingen der Status als "Gruppenverfolgte" zuerkannt wird.

Begründung:

Da das asylerhebliche Verfolgungsrisiko zu einem großen Teil an Gruppenzugehörigkeit gebunden ist (weil die Übergriffe sich immer auf eine gesamte ethnische, familiäre oder religiöse Gruppe beziehen), muß auch eine Anerkennung als Gruppenverfolgte erfolgen, weil eine isolierte Betrachtung der einzelnen Person der Verfolgungssituation in der Türkei nicht gerecht würde.

Wir haben unseren Antrag gestellt, weil wir meinen, daß der Kreistag sich dafür einsetzen sollte, daß die kurdischen Flüchtlinge im Kreis Rendsburg-Eckernförde von hier nicht abgeschoben werden, solange die Menschenrechte in der Türkei nicht sichergestellt sind. Seit 14 Jahren müssen Kurdinnen und Kurden in ihrer Heimat in einem Krieg leben, in dem bisher mehr als 50.000 Menschen ihr Leben verloren. 3.700 Dörfer wurden verbrannt und vernichtet. Drei Millionen Kurdinnen und Kurden mußten aus ihrer Heimat fliehen.

Wie wir auch immer wieder in den Zeitungen lesen, werden viele der in die Türkei abgeschobenen kurdischen Flüchtlinge direkt am Flughafen inhaftiert und identitätsüberprüft, verhört, Repressalien ausgesetzt oder gefoltert. Diese Tortur droht auch Flüchtlingen, die politisch nicht in Erscheinung getreten sind, sondern allein aus Gründen ethnischer bzw. religiöser Zugehörigkeit. So ist generell nicht auszuschließen, daß abgeschobene kurdische Flüchtlinge der Gefahr ausgesetzt sind, Folter, unmenschlicher Behandlung oder erniedrigender Strafe unterworfen zu werden, was einen Verstoß gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention darstellt.

Die Mehrheit der deutschen Verwaltungsgerichte vertritt z.Z. die Auffassung, daß es für kurdische Kriegsflüchtlinge Fluchtmöglichkeiten in der Türkei selbst gebe, und daß eine solche sog. inländische Fluchtalternative auch für politisch Verfolgte bestehen würde. Besuche ausländischer Delegationen haben jedoch erwiesen, daß es, so eine Hamburger Rechtsanwältin, "ein staatliches Verfolgungsprogramm gegen die Kurden gibt, in dem die Verelendung und der Tod von Binnenflüchtlingen integrative Bestandteile sind und nicht nur billigend in Kauf genommen werden".

Kurdische Binnenflüchtlinge leben in Elendsquartieren am Rande der großen türkischen Städte und zwar unter Bedingungen weit unter dem Existenzminimum. Kaum jemand findet Arbeit, die meisten Menschen sind auch zu geschwächt. Immer wieder werden diese Elendsviertel abgerissen und die Menschen vertrieben. In der Regenzeit werden ihre Zelte (meist aus Plastiktüten und Müllsäcken) weggespült, die Menschen hungern und frieren, viele, besonders auch die Kinder, sind krank. Die Menschen sind ständig Razzien, rassistischen Übergriffen, sozialer Entrechtung und Ausgrenzung ausgesetzt.

Um die kurdischen Flüchtlingsfamillen bei uns im Kreis Rendsburg-Eckernförde vor Abschiebung in die Türkei zu bewahren, was für viele Gefängnis, Folter und Tod bedeuten kann, fordern wir den Kreistag auf, an das Land zu appellieren, sich dafür einzusetzen, daß den Kurden der Status "Gruppenverfolgte" zugesprochen wird, wie es z.B in Niedersachen 1997 zugunsten der religiösen Gruppe der Yezid geschehen ist.

Wir wünschen, daß der Kreistag die kurdischen Flüchtlinge unterstützt und die Landesregierung auffordert, für einen Abschiebestop kurdischer Flüchtlinge in die Türkei einzutreten und sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, daß ihnen der Status als "Gruppenverfolgte" zuerkannt wird.