Kernspalte

Wenn in dieser Spalte vor geraumer Zeit die “Atomkonsens” genannte Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Atomanlagenbetreibern als Bestandsgarantie für AKWs gewertet wurde, dann kann es nicht wirklich überraschen, dass beim ältesten deutschen Atomkraftwerk Obrigheim, das die weltweit durchschnittliche technische Lebensdauer längst überschritten hat, in dem Moment, wo die Einhaltung dieses Vertrages trotz allem eine Abschaltung vorsieht, wieder irgendein Vorwand gefunden wird, der praktische Konsequenzen für die Atomstromer verhindert. Ob es nach 34 Betriebsjahren noch zwei Jahre oder, wie beantragt, fünf Jahre weitergehen soll, ist letztlich unerheblich, denn wer weiss, was für Gründe sich in zwei Jahren finden werden? Erwartungsgemäß stellte auch der Grünen-Parteitag vom vergangenen Wochenende wegen dieser Lappalie nicht den Koalitionsvertrag in Frage, sondern “mißbilligte” konsequenzlos die “vom Bundeskanzler allein zu vertretende Entscheidung”. Dass diese Entscheidung zu einer Zeit getroffen wird, in der die Staatsanwaltschaft in Mosbach Ermittlungen wegen unerlaubten Betriebs einer kerntechnischen Anlage über mehr als zehn Jahre gegen die Betriebsführung von Obrigheim aufnimmt, dass erneut ein Leck im Kühlkreislauf aufgetreten ist, dass bzw. ob Jürgen Trittin von der Absprache schon lange gewußt hat - wird danach in einigen Jahren noch irgendein Hahn krähen? Baden-Württembergs Umweltminister Müller (CDU) meint “Nein”, denn der Streit um die Zuverlässigkeit von Obrigheim werde abflauen. Obwohl er ja jetzt schon flau ist. Verbraucherschutzministerin Renate Künast zog als erste ein schier unglaubliches Resumee: Die zentrale Botschaft des Koalitionsvertrages sei “Gesundheit geht vor wirtschaftlichem Profit”. Aha.

Dieses Prinzip scheint auch für die Endlagerung zu gelten: “Zur Frage der Finanzierung der Erkundungsarbeiten strebt die Bundesregierung eine Verständigung mit den Energieversorgungsunternehmen an, die deren Verantwortung als Abfallverursacher gerecht wird.” (aus dem Koalitionsvertrag). Wenn man nur “anstrebt” und sich letztlich “verständigt”, kommt am Ende das heraus, was nicht viel Geld kostet, weil es schon erkundet ist - nämlich Gorleben, meint die BI Lüchow-Dannenberg, und bezeichnet den “AK End” als Farce.

Der bisher größte deutsche Atommülltransport mit 16 Behältern aus Krümmel, Stade, Brokdorf, Brunsbüttel, Unterweser, Grafenrheinfeld und Neckarwestheim  ist am 11. Oktober mit geringer Behinderung in La Hague bzw. für die Verschiffung nach Sellafield im Hafen von Dünkirchen angekommen. Lediglich in Brunsbüttel hatten Menschen ein paar Dutzend Gleisschrauben gelockert, in Krümmel und entlang der Transportstrecke gab es ein bisschen Protest. Bei Metz gelang es französischen Atomkraftgegnern, die Herrn Trittin an seine nationale Verantwortung für den Atommüll durchaus schon bei der Ausfuhr nach Frankreich und nicht erst bei der Rückführung nach Gorleben erinnern wollten, den Zug einige Minuten aufzuhalten. Wenn das die Generalprobe für das Zwölferpack nach Gorleben gewesen sein soll, kann sie vom Bundesamt für Strahlenschutz sicher als erfolgreich eingestuft werden.

Die Auftaktkundgebung und -demonstration gegen den Gorleben-Transport ist für den 9.11. direkt am geplanten Endlager vorgesehen. Danach wird täglich mit der Ankunft des Transports gerechnet. Camps sind geplant in Lüneburg (Clamartplatz), Göhrde, Rehbeck, Hitzacker. Camp-Infos gibt es unter 05862- 985991.

(BG)