Phlippinen:

Öl ins Feuer gegossen

Anfang August erstand auf den Philippinen aus dem Zusammenschluss dreier linkssozialistischer Organisationen eine neue Partei, die Philippinische Arbeiter Partei (PMP). Zwei der Vorläuferorganisationen sind Spaltprodukte der (maoistischen) Kommunistischen Partei (CPP), von der sich Anfang der 90er nach heftigen inneren Auseinandersetzungen verschiedene Fraktionen abgespalten hatten. Die dritte Gründerorganisation der PMP ist dem Umfeld der deutlich kleineren, einst an Moskau orientierten KP entwachsen. Die PMP ist unter anderem in der linken Gewerkschaftsbewegung des Landes aktiv. Das australische linke Wochenmagazin Green Left Weekly, der wir das nachfolgende Interview mit PMP-Sprecher Patricio Ramirez entnahmen, bewertet die Vereinigung als einen wichtigen Schritt zur Überwindung der Zersplitterung der einst einflußreichen revolutionären Linken des Landes.

Die CPP kämpft seit den 60er Jahren einen Guerillakrieg, bemüht sich allerdings seit etlichen Jahren um einen Friedensschluss. In jüngster Zeit ist sie zur Zielscheibe des so genannten Kriegs gegen den Terror geworden, in dessen Schatten die USA auf dem südostasiatischen Archipel wieder eine militärische Präsens aufbaut und reichlich Öl ins Feuer der philippinischen Klassenkonflikte gießt. Anfang der 90er hatten die US-Truppen abziehen müssen, weil aufgrund massiver Proteste aus der Bevölkerung die Stationierungsverträge nicht erneuert worden waren.

Wie reagiert man auf den Philippinen auf den von den USA angeführten “Krieg gegen den Terror”?

Patricio Ramirez: Die Opposition gegen die Rückkehr der US-Truppen und ihrer Basen ist beachtlich und wird von den hiesigen Medien anerkannt. Aber man muss sagen, dass die Regierung in der Öffentlichkeit die Oberhand hat. Die Propaganda des “Krieges gegen den Terror” hat in der öffentlichen Meinung ein positives Klima für die Rückkehr der US-Truppen geschaffen. Doch die Regierung weiß, dass die fortschrittlichen und revolutionären Kräfte in der Lage sind die öffentliche Meinung gegen die US-Intervention zu kehren. Ich denke, das ist der Grund dafür, dass diese antikommunistischen Hysterie aufgepeitscht wird. Es hat Versuche gegeben, antikommunistische und pro-US-Demonstrationen zu organisieren. Außerdem hat die Regierung CPP und deren Guerilla, die Neue Volksarmee (NPA) mit Abu Sayyaf und den Entführerbanden in die Liste der terroristischen Organisationen aufgenommen. Schließlich haben einige Militärs sogar versucht, Verbindungen zwischen einigen legalen Organisationen einerseits und CPP sowie NPA andererseits herzustellen. Das ist Teil der verstärkten militärischen Aggressivität gegenüber der Linken.

Worin drückt sich die aus?

Patricio Ramirez: Einige Armeebataillone wurden aus den Regionen, in denen Abu Sayyaf operiert in die Gebiete verlegt, in denen die NPA in letzter Zeit an Einfluss gewonnen hat. Da in einigen Regionen die Verzweiflung unter den Kleinbauern zunimmt, wächst die NPA beständig. Die Arroyo-Regierung ist auf eine umfassende Militärkampagne gegen sie aus und bisher verhindert lediglich das Haushaltsdefizit eine großangelegte Eskalation des Krieges.

Wie wirkt sich diese Politik auf die öffentliche Meinung aus?

Patricio Ramirez: Die Regierung hat bisher keine wirkliche Unterstützung auf die Beine bringen können. Die antikommunistischen Demonstrationen fielen recht klein aus und derzeit gibt es keine Dynamik in dieser Mobilisierung. Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo ist nicht nur seitens der Linken unter Druck, sondern hatte auch Schwierigkeiten mit den Unterstützern ihres Vorgängers

Joseph Estrada. Was ist aus denen geworden?

Patricio Ramirez: Diese Unterstützung unter den städtischen Armen, dem Halb-Proletariat, ist nach wie vor vorhanden, aber nicht besonders gut und politisch organisiert. Das hat zum einen mit Unerfahrenheit zu tun, zum anderen glaube ich auch, dass Estradas Unterstützer in der Elite Angst davor haben, dass sich diese Leute organisieren. Aber es gibt seit kurzem eine Organisation, die sich Volksbewegung gegen Armut nennt, mit Estrada in Verbindung steht und gegen Arroyo gerichtet ist. Wir denken, dass sich die Linke in diesem Milieu einmischen und versuchen sollte, diese Organisationen zu beeinflussen.

Wie sehen Sie den derzeitigen Zustand der Linken?

Patricio Ramirez: Das breite Spektrum der Linken ist immer noch eine Kraft, die die herrschende Klasse anerkennen und mehr die sie rechnen muss. Die PMP selbst ist noch nicht so bekannt. Die CPP hat hingegen ein viel stärkeres Profil in der Öffentlichkeit und mehr Anerkennung. Die PMP muss unbedingt eine Kampagne starten, um ihre Politik besser bekannt zu machen. Bayan Muna vertritt die von der CPP beeinflusste “national-demokratische” Strömung innerhalb der Linken und verfügt mit ihren drei Parlamentsabgeordneten im Kongress über eine gute Plattform und Einfluss in den Medien.

Worin bestehen Ihre Meinungsverschiedenheiten mit der CPP?

Patricio Ramirez: Es gibt eine fundamentale Differenz auf der theoretischen oder ideologischen Ebene in dem wir den stalinistischen und maoistischen Ansatz der CPP ablehnen und statt dessen eine marxistisch-leninistische Position einnehmen. Auf der politischen Ebene spielt die CPP natürlich immer noch eine positive Rolle, in dem sie Menschen organisiert und mobilisiert. Objektiv gesehen sind wir Verbündete. Oftmals haben wir parallele Kampagnen mit den gleichen Forderungen. Auch haben wir in vielen Fragen ähnliche Analysen, wie zum Beispiel bei der Globalisierung.

Aber Bündnisse, auch in einzelnen Fragen, werden von ihrer Seite noch immer durch ein extremes Sektierertum verhindert. Sie weigern sich noch immer mit anderen linken Gruppen zusammenzuarbeiten. Gleichzeitig sind sie aber bereit, Bündnisse mit Gruppen aus der herrschenden Klasse einzugehen. Während des Kampfes gegen Estrada haben sie einen Vertrag mit Arroyo abgeschlossen. Der sollte sie auf verschiedene fortschrittliche Vorhaben, aber jeder wusste, dass sie niemals vor hatte, sich an die Absprachen zu halten. Sie hatte nicht einmal eine öffentliche Zusage gegeben. Und jetzt, da Arroyo CPP und NPA den Krieg erklärt hat, werben CPP-Führer dafür, dass Vizepräsident Teofisto Guingona, der der gleichen Partei wie Arroyo entstammt, einen besseren Präsidenten abgäbe.

Wo sehen Sie den programmatischen Hauptunterschied zwischen der PMP und der CPP?

Patricio Ramirez: Die CPP betont noch immer den “national-demokratischen” Charakter ihrer Bewegung, die das ganze Volk einschließen soll, einschließlich Arbeiter, Bauern, Kleinbürgertum sowie die nationale oder patriotische Bourgeoisie. Wir denken, dass sie die Tendenz hat, sich als Vorhut an die Stelle der Arbeiterklasse zu setzen. Uns kommt es hingegen darauf an, unter den Arbeitern sozialistisches Bewusstsein zu erzeugen, da wir davon ausgehen, dass nur eine Arbeiterklasse mit klaren sozialistischen Zielvorstellungen in der Lage ist, das Volk im demokratischen Kampf zu führen um diesen in eine sozialistische Revolution umzuwandeln. Die CPP erhebt oft Forderungen nach einer demokratischen Regierung des ganzen Volkes einschließlich der nationalistischen Bourgeoisie, wir hingegen fordern eine Regierung der Arbeiter und Bauern.

Sie meinten, dass die NPA auf dem Land wächst?

Patricio Ramirez: Die Grundlage dafür ist wie gesagt die verzweifelte Lage eines Teils der Bauern. Es zeigt, dass der Guerillakampf auch in der jetzigen Lage immer noch ein effektives Mittel zur Organisierung der Bauern sein kann. Wir denken allerdings, dass er nicht darüber hinaus wachsen kann, und stellen in Frage, ob eine derartige Form des Kampfes noch ein zentrales Mittel sein kann, um die Revolution zu gewinnen.

Wie sehen Sie die Entwicklung des Kampfes auf dem Land?

Patricio Ramirez: Wir denken, dass es Aussicht auf das Wiedererstarken militanter Bauernkämpfe gibt. Zwei Entwicklungen wirken in diese Richtung: Zum einen erzeugt die WTO-artige Liberalisierung der Landwirtschaft enorme Verwerfungen. Die Kokusnuss-Industrie kollabiert, da Ersatzprodukte nicht nur die internationalen sondern auch die lokalen Märkte überschwemmen. Gleichzeitig werden, da es an Einfuhrkontrolle fehlt, große Mengen billigen Zuckers eingeführt, was der Zuckerindustrie erhebliche Probleme verursacht. Als nächstes kommt Reis dran, womit drei der wichtigsten Sektoren betroffen wären.

Zum anderen tritt die Landreform der Regierung in ihre letzte Phase. Sie dauert jetzt schon seit mehr als zehn Jahren und die Regierung sowie die Landbesitzer haben jedes Schlupfloch im Gesetzestext ausgenutzt, um sicherzustellen, dass nur öffentliches Land, das gewöhnlich nichts taugt, verteilt wird. Fruchtbares und kommerziell nutzbares Land, das zu Plantagen und Großgrundbesitz gehört, wurde nicht verteilt. In einigen Fällen, in denen entsprechende Parzellen verteilt worden waren, ist das wieder rückgängig gemacht worden.

Mit dem Start der letzten Phase wird es sicherlich Erwartungen geben, dass auch endlich gutes Land verteilt wird. Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird es viele Kämpfe um die Verteilung solchen Landes geben. Wenn man derzeit am Landwirtschaftsministerium vorbeifährt, dann wird man dort jeden Tag Protestzelte von Bauern sehen. Überall im Land brechen Kämpfe unabhängig von einander aus. Das wird in den nächsten Jahren zunehmen und die Frage wird sein, wie man das politisch zu einer machtvollen militanten Bauernbewegung machen kann.

Das Interview führte Max Lane.

Übersetzung aus dem Englischen: wop